Der Dunkle Turm 4 - Glas
Häusern, und von Bäumen überschattete Wege. Die Dächer waren mit orangeroten Ziegeln gedeckt, die Fensterläden wegen der Sommersonne geschlossen. Als sie durch diese Straßen ritten, wo die Hufe ihrer Pferde auf dem gefegten Kopfsteinpflaster klapperten, konnten sie kaum glauben, dass die nordwestliche Flanke des Bundes – das uralte Land des Eld, Arthurs Königreich – brannte und kurz vor dem Fall stand.
Das Gefängnis war eine größere Version des Postamts und des Grundstücksamts; eine kleinere Version der Stadthalle. Abgesehen natürlich von den Gittern an den Fenstern, die über den kleinen Hafen blickten.
Sheriff Herk Avery war ein dickbäuchiger Mann in der Khakiuniform eines Gesetzeshüters. Er musste sie durch das Guckloch in der Mitte der eisenbeschlagenen Gefängnistür beobachtet haben, als sie näher kamen, weil die Tür sofort aufgerissen worden war, noch ehe Roland überhaupt nach der Glocke in der Mitte greifen konnte. Sheriff Avery erschien auf der Schwelle, und sein Bauch eilte ihm voraus wie ein Gerichtsdiener dem Hohen Richter in den Gerichtssaal. Er breitete die Arme zu einem überaus herzlichen Willkommensgruß aus.
Er verbeugte sich tief vor ihnen (Cuthbert sagte später, er habe schon befürchtet, der Mann könne das Gleichgewicht verlieren und die Stufen herunterrollen; möglicherweise den ganzen Weg bis zum Hafen hinunter), wünschte ihnen wiederholt einen guten Morgen und klopfte sich währenddessen die ganze Zeit wie ein Irrer gegen die Kehle. Sein Lächeln war so breit, dass es aussah, als würde es seinen Kopf in zwei Teile spalten. Drei Hilfssheriffs, die eindeutig das Aussehen von Farmern hatten, aber wie der Sheriff selbst auch Khaki trugen, drängten sich hinter Avery an der Tür und gafften. Genau darum handelte es sich, um ein Gaffen; es gab einfach kein anderes Wort für diese Art von unverhohlen neugierigem und völlig unbefangenem Blick.
Avery schüttelte jedem der Jungen die Hand, während er sich weiter verbeugte, und nichts, was Roland sagte, brachte ihn dazu, damit aufzuhören. Als er endlich mit der Begrüßung fertig war, führte er sie ins Innere. Trotz der glutheißen Sommersonne war es in dem Büro angenehm kühl. Das war natürlich der Vorteil von Backsteingebäuden. Außerdem war es groß – größer als jedes Büro eines Hohen Sheriffs, das Roland je gesehen hatte, und im Lauf der vergangenen drei Jahre war er in mindestens dreien gewesen, während er seinen Vater auf mehreren kurzen Ausflügen und einer längeren Patrouille begleitet hatte.
In der Mitte stand ein Rollpult, rechts der Tür befand sich ein schwarzes Brett (dieselben Blätter Kanzleipapier waren immer und immer wieder beschrieben worden; Papier war ein seltenes Gut in Mittwelt), und in der Ecke gegenüber waren zwei Gewehre in einem Ständer mit Vorhängeschloss zu sehen. Es handelte sich um derart alte Donnerbüchsen, dass Roland sich schon fragte, ob es überhaupt noch Munition dafür gab. Und ob sie überhaupt schießen würden. Links des Gewehrständers führte eine offene Tür in den Gefängnisbereich – drei Zellen auf jeder Seite eines kurzen Gangs, aus denen ein starker Geruch von Seifenlauge drang.
Sie haben geputzt, weil wir kommen, dachte Roland. Er war amüsiert und gerührt, es machte ihn aber auch unruhig. Geputzt, als wären wir ein Trupp Kavalleriesoldaten der Inneren Baronien, die zu einer gründlichen Inspektion gekommen sind, anstatt drei Jungs, die hier ihre Strafe abbüßen sollen.
Aber war diese Art von nervöser Sorgfalt seitens ihrer Gastgeber wirklich so seltsam? Immerhin stammten sie aus Neu-Kanaan, und die Leute in dieser entlegenen Ecke der Welt betrachteten sie vielleicht wirklich als eine Abordnung königlichen Geblüts.
Sheriff Avery stellte seine Hilfssheriffs vor. Roland schüttelte allen die Hand, gab sich aber keine Mühe, sich die Namen einzuprägen. Cuthbert kümmerte sich immer um die Namen, und es kam selten vor, dass er einmal einen vergaß. Der dritte, ein kahler Bursche, der ein Monokel an einem Band um den Hals hängen hatte, ließ sich sogar vor ihnen auf ein Knie nieder.
»Lass das sein, du Riesenidiot!«, belferte Avery und riss ihn am Kragen wieder hoch. »Für was für einen Hinterwäldler werden sie dich jetzt halten? Außerdem hast du sie in Verlegenheit gebracht, das hast du!«
»Schon gut«, sagte Roland (er war tatsächlich sehr verlegen, auch wenn er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen). »Wissen Sie, wir sind wirklich
Weitere Kostenlose Bücher