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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Schlange. Trotzdem bekam er nicht einmal den Hauch einer Chance, einen Schuss auf Cuthbert Allgood abzufeuern. Ein zip-TWENGG! ertönte, als das elastische Band losgelassen wurde, ein Funkeln von Stahl zog durch die rauchige Luft des Saloons wie ein Kreidestrich über eine Schiefertafel, und dann schrie Depape auf. Sein Revolver fiel zu Boden, ein Fuß kickte ihn durch das Sägemehl weg von ihm (niemand wollte der Besitzer des Fußes gewesen sein, solange sich die Großen Sargjäger noch in Hambry aufhielten; als sie fort waren, wollten es hunderte gewesen sein). Depape hob, immer noch kreischend – er konnte keine Schmerzen ertragen –, die blutende Hand und betrachtete sie mit gequältem, fassungslosem Blick. Eigentlich hatte er Glück gehabt. Cuthberts Kugel hatte die Spitze des Zeigefingers zertrümmert und den Nagel abgerissen. Etwas tiefer, und Depape hätte Rauchringe durch seine Hand blasen können.
    Unterdessen hatte Cuthbert die Schleuder bereits nachgeladen und das elastische Band wieder gespannt. »Nun gut«, sagte er, »wenn ich Ihre Aufmerksamkeit haben dürfte, werter Herr…«
    »Für seine kann ich nicht sprechen«, sagte Reynolds hinter ihm, »aber meine hast du ganz gewiss, Partner. Ich weiß nicht, ob du gut mit diesem Ding bist oder einfach nur Scheißglück gehabt hast, aber wie auch immer, jetzt ist es gelaufen. Du solltest das Band langsam entspannen und loslassen. Ich will das Ding auf dem Tisch dort vor dir sehen.«
    »Ich war verblendet«, sagte Cuthbert traurig. »Wieder einmal von meiner unreifen Jugend verraten.«
    »Von deiner unreifen Jugend weiß ich nichts, Bruder, aber verblendet bist du wahrhaftig gewesen«, stimmte Reynolds zu. Er stand links hinter Cuthbert und hob nun die Waffe, bis Cuthbert die Mündung an seinem Hinterkopf spüren konnte. Reynolds spannte den Hahn. In der Höhle des Schweigens, zu der der Traveller’s Rest geworden war, war das Geräusch lautstark zu vernehmen. »Und jetzt leg die Schleuder weg.«
    »Ich glaube, guter Mann, ich muss dieses Ansinnen mit Bedauern ablehnen.«
    »Was?«
    »Sehen Sie, ich ziele mit meiner vertrauenswürdigen Schlinge auf den Kopf Ihres Freundes…«, begann Cuthbert, und als sich Depape nervös an der Bar bewegte, schwoll Cuthberts Stimme zu einem messerscharfen Ton an, der überhaupt nichts Unreifes an sich hatte. »Stehen bleiben! Noch eine Bewegung, und Sie sind ein toter Mann!«
    Depape gehorchte und hielt die blutende Hand an sein vom Kiefernharz klebriges Hemd. Auf einmal sah er ängstlich aus, und zum ersten Mal in dieser Nacht – sogar zum ersten Mal, seit er sich mit Jonas zusammengetan hatte – spürte Reynolds, wie ihm die Macht über die Situation entglitt… aber wie konnte das angehen? Wie konnte das angehen, wo es ihm doch gelungen war, sich hinter diese klugscheißerische halbe Portion zu schleichen und sie zu überrumpeln? Es hätte vorbei sein müssen.
    Cuthbert senkte die Stimme wieder zu seinem vorherigen, beinahe verspielten Plauderton und sagte: »Wenn Sie auf mich schießen, fliegt die Kugel, und Ihr Freund stirbt auch.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Reynolds, aber ihm gefiel nicht, was er da in der eigenen Stimme hörte. Es hörte sich wie Zweifel an. »Kein Mensch könnte so einen Schuss bewerkstelligen.«
    »Warum überlassen wir die Entscheidung nicht Ihrem Freund?«
    Cuthberts Stimme schwoll zu einem heiteren Johlen an. »Holla, Sie da drüben, Mr. Brillenschlange! Möchten Sie, dass Ihr Kumpel auf mich schießt?«
    »Nein!« Depapes Aufschrei war schrill und grenzte an Panik. »Nein, Clay! Nicht schießen!«
    »Also haben wir ein Patt«, sagte Reynolds nachdenklich. Aus dieser Nachdenklichkeit wurde das blanke Entsetzen, als er spürte, wie die Klinge eines sehr großen Messers an seine Kehle gedrückt wurde. Sie drückte unmittelbar unter dem Adamsapfel in seine empfindliche Haut.
    »Nein, keineswegs«, sagte Alain sanft. »Legen Sie die Waffe weg, mein Freund, oder ich schneide Ihnen die Kehle durch.«
     
     
    4
     
    Jonas, der durch reines Glück gerade rechtzeitig eingetroffen war, um Zeuge dieser Kasper-und-Grete-Vorstellung zu werden, stand unmittelbar vor der Schwingtür und beobachtete alles mit Staunen, Verachtung und fast so etwas wie Entsetzen. Zuerst macht einer dieser Bengel des Bundes Depape fertig, und als Reynolds sich um jenen gekümmert hat, kommt der große Junge mit dem runden Gesicht und den Schultern eines Bauernlümmels daher und hält Reynolds ein Messer an die Kehle.

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