Der Dunkle Turm 4 - Glas
er.
»Unter uns? Oder auf der gesamten Schräge?«
»Nur unter uns.«
Sie sah genau hin, machte aber keinen Versuch, genau zu zählen. Das würde sowieso nicht gelingen und verwirrte einen nur. Sie sah vier größere Gruppen mit jeweils rund zwanzig Pferden, die fast genauso auf dem Grün dahinzogen wie die Vögel über ihnen vor dem Blau. Es waren etwa neun kleinere Gruppen, von vier bis acht Tieren… mehrere Paare (die sie an Liebespaare erinnerten, aber das schien heute bei fast allem so zu sein)… ein paar galoppierende Einzelgänger – überwiegend junge Hengste…
»Hundertsechzig?«, sagte er mit einer leisen, fast zögernden Stimme.
Sie sah überrascht zu ihm auf. »Aye. Hundertsechzig hatte ich auch gedacht. Auf den Punkt genau.«
»Und wie viel von der Schräge sehen wir? Ein Viertel? Oder ein Drittel?«
»Viel weniger.« Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln. »Wie Er wohl weiß, glaube ich. Vielleicht ein Sechstel der gesamten freien Weidefläche.«
»Wenn auf jedem Sechstel hundertundsechzig Pferde frei grasen, macht das…«
Sie wartete darauf, dass er neunhundertsechzig sagen würde. Als er es tat, nickte sie. Er schaute noch einmal hinunter und stieß gleich darauf einen überraschten Laut aus, weil Rusher ihn mit der Nase ins Kreuz stupste. Susan hielt eine hohle Hand vor den Mund, um ein Lachen zu unterdrücken. An der ungeduldigen Art, wie er die Schnauze des Pferdes wegdrückte, konnte sie erkennen, dass ihm immer noch nur wenige Dinge lustig vorkamen.
»Wie viele stehen noch in den Ställen oder sind beim Zureiten oder Arbeiten, was meinst du?«, fragte er.
»Eines auf drei da unten. Schätzungsweise.«
»Also sprechen wir von zwölfhundert Pferden. Ausnahmslos Tiere mit guter Erblinie, keine Muties.«
Sie sah ihn gelinde überrascht an. »Aye. Es gibt fast keine Muties hier in Mejis… in keiner der Äußeren Baronien, was das betrifft.«
»Ihr zieht mehr als drei gesunde von fünf Fohlen auf?«
»Wir ziehen alle auf! Natürlich haben wir ab und zu einmal eine Missbildung, die getötet werden muss, aber…«
»Nicht mal eine Missbildung unter fünf Lebendgeburten? Ein Fohlen von fünf, das mit…« Wie hatte Renfrew sich ausgedrückt: »Mit zusätzlichen Beinen oder den Eingeweiden außen geboren wird?«
Ihr entsetzter Gesichtsausdruck genügte ihm als Antwort. »Wer hat dir das gesagt?«
»Renfrew. Außerdem hat er mir erzählt, dass es etwa fünfhundertsiebzig Pferde hier in Mejis gibt.«
»Das ist einfach…« Sie stieß ein kurzes, verblüfftes Lachen aus. »Einfach verrückt! Wenn mein Da’ hier wäre…«
»Ist er aber nicht«, sagte Roland mit einer Stimme, so trocken wie ein brechender Zweig. »Er ist tot.«
Einen Augenblick lang nahm sie seinen mit einem Mal veränderten Ton nicht wahr. Dann verdüsterte sich ihre ganze Stimmung, so als hätte irgendwo in ihrem Inneren eine Verfinsterung eingesetzt. »Mein Da’ hatte einen Unfall. Begreifst du das, Will Dearborn? Einen Unfall. Es war schrecklich traurig, aber so etwas passiert eben manchmal. Ein Pferd hat sich auf ihn gewälzt. Ocean Foam. Fran sagt, Foam wäre durch eine Schlange im Gras erschreckt worden.«
»Fran Lengyll?«
»Aye.« Ihre Haut war blass, abgesehen von zwei wilden Rosen – rosa, wie die in dem Strauß, den er ihr durch Sheemie hatte zukommen lassen –, die hoch auf ihren Wangenknochen erblühten. »Fran ist viele Meilen mit meinem Vater geritten. Sie waren zwar nicht die dicksten Freunde – zum einen war da der Klassenunterschied –, aber sie ritten zusammen. Ich habe irgendwo eine Haube aufbewahrt, die Frans erste Frau zu meiner Taufe gemacht hat. Sie sind gemeinsam auf dem Trail geritten. Ich kann nicht glauben, dass Fran Lengyll lügen würde, wie mein Da’ gestorben ist, geschweige denn, dass er… etwas damit zu tun haben könnte.«
Und doch sah sie mit zweifelnder Miene zu den frei herumlaufenden Pferden hinunter. So viele. Zu viele. Ihr Da’ hätte es sofort gesehen. Und ihr Da’ hätte sich genau die Frage gestellt, die auch sie sich jetzt stellte: Wessen Brandzeichen trugen die zusätzlichen?
»Es hat sich ergeben, dass Fran Lengyll und mein Freund Stockworth ein Gespräch über Pferde geführt haben«, sagte Will. Seine Stimme klang beinahe beiläufig, aber sein Gesicht drückte keinerlei Beiläufigkeit aus. »Bei Gläsern voll Quellwasser, nachdem Bier angeboten und dankend abgelehnt worden war. Sie haben ebenso darüber gesprochen wie ich mit Renfrew beim
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