Der Dunkle Turm 4 - Glas
übergelaufen war; sie hatten sich drei harte Männer, die wahrscheinlich genug Menschen getötet hatten, um einen mittelgroßen Friedhof zu bevölkern, zu persönlichen Feinden gemacht. Und doch hatten sie sich der Situation gewachsen gefühlt, weil sie unter der Führerschaft ihres Freundes hierher gekommen waren, der in ihren Augen einen beinahe legendären Status erreicht hatte, seit er Cort – mit einem Falken als Waffe! – besiegt hatte und im unerhörten Alter von vierzehn Jahren zum Revolvermann geworden war. Sie selbst hatten für die Mission hierher Waffen bekommen, was ihnen viel bedeutete, als sie Gilead verließen, aber gar nichts mehr, als sie das ganze Ausmaß dessen erkannten, was sich in Hambry und der Baronie, zu der es gehörte, tatsächlich abspielte. Als diese Erkenntnis kam, war Roland die Waffe, auf die sie zählten. Aber jetzt…
»Er ist wie ein Revolver, den man ins Wasser geworfen hat!«, rief Cuthbert eines Abends aus, als Roland kurz zuvor fortgeritten war, um sich mit Susan zu treffen. Über der Veranda des Schlafhauses erhob sich die Jägerin in ihrem ersten Viertel. »Allein die Götter wissen, ob er jemals wieder schießen wird, wenn man ihn herausholt und abtrocknet.«
»Pst, warte«, sagte Alain und sah zum Verandageländer. In der Hoffnung, Cuthbert aufzuheitern (eine Aufgabe, die unter normalen Umständen ziemlich einfach war), sagte Alain: »Wo ist der Wachposten? Zur Abwechslung einmal früh zu Bett gegangen, ja?«
Aber das erboste Cuthbert nur noch mehr. Er hatte den Krähenschädel seit Tagen nicht mehr gesehen – konnte nicht einmal sagen, seit wie vielen genau – und betrachtete den Verlust als böses Omen. »Er ist gegangen, aber nicht ins Bett«, antwortete er und sah gehässig nach Westen, wo Roland auf seinem großen alten Klotz von einem Pferd verschwunden war. »Verloren, schätze ich. So wie Hirn und Herz und Verstand eines gewissen Burschen.«
»Der kommt schon wieder zu sich«, sagte Alain verlegen. »Du kennst ihn so gut wie ich, Bert – wir kennen ihn unser ganzes Leben lang. Er kommt schon wieder zu sich.«
Leise und ohne eine Spur seines sonstigen Humors sagte Cuthbert: »Mir ist, als wäre er mir vollkommen fremd geworden.«
Sie hatten beide auf ihre unterschiedliche Art versucht, mit Roland zu reden; beide hatten dieselbe Antwort erhalten, eine, die gar keine Antwort war. Der verträumte (und vielleicht ein wenig beunruhigte) zerstreute Ausdruck in Rolands Augen während dieser einseitigen Unterhaltungen wäre jedem vertraut gewesen, der je versucht hatte, mit einem Drogensüchtigen vernünftig zu reden. Es war ein Ausdruck, der besagte, dass Rolands ganzes Denken mit der Form von Susans Gesicht beschäftigt war, mit dem Geruch von Susans Haut, mit der Beschaffenheit ihres Körpers. Obwohl beschäftigt ein albernes Wort dafür war, weil es den Kern nicht traf. Es war keine Beschäftigung, sondern eine Besessenheit.
»Ich hasse sie ein bisschen für das, was sie getan hat«, sagte Cuthbert, und in seiner Stimme klang ein Unterton mit, den Alain noch nie an ihm gehört hatte – eine Mischung aus Eifersucht, Enttäuschung und Angst. »Vielleicht sogar mehr als ein bisschen.«
»Das darfst du nicht!« Alain versuchte, nicht entsetzt zu klingen, was ihm aber kaum gelang. »Sie ist nicht verantwortlich für…«
»Wirklich nicht? Sie ist mit ihm zum Citgo-Gelände gegangen. Sie hat gesehen, was er gesehen hat. Gott weiß, was er ihr sonst noch erzählt hat, als die beiden fertig waren, das Tier mit den zwei Rücken zu machen. Und sie ist alles andere als dumm. Das sieht man schon daran, wie sie ihren Teil der Affäre gehandhabt hat.« Bert dachte dabei, so vermutete Alain, an ihr nettes kleines Kunststückchen mit der corvette. »Sie muss wissen, dass sie inzwischen selbst zu einem Teil des Problems geworden ist. Das muss sie wissen!«
Nun war ihm seine Verbitterung beängstigend deutlich anzumerken. Er ist eifersüchtig auf sie, weil sie ihm den besten Freund gestohlen hat, dachte Alain, aber das ist noch nicht alles. Er ist eifersüchtig auf seinen besten Freund, weil sein bester Freund das schönste Mädchen bekommen hat, das je einer von uns gesehen hat.
Alain beugte sich zu Cuthbert und hielt ihn an der Schulter fest. Als Bert, der verdrossen über den Hof geschaut hatte, sich zu seinem Freund umdrehte, erschreckte ihn Alains grimmiges Gesicht. »Es ist Ka«, sagte Alain.
Cuthbert schnaubte fast höhnisch. »Wenn ich eine warme Mahlzeit für
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