Der Dunkle Turm 4 - Glas
Hand, mit der er sich die sombrera an die Brust presste (der Hut wurde dadurch eingedrückt, war aber von vornherein schon ziemlich zerknautscht). Sie bückte sich, hielt Sheemies Finger mit einer Hand und den Knauf ihres Sattels mit der anderen fest, und küsste ihn auf die Wange. Er lächelte zu ihr auf.
»Wir werden unser Bestes tun, richtig?«, sagte sie zu ihm.
»Aye, Susan Patstochter. Wir werden unser Bestes für unsere Freunde tun. Unser Allerbestes.«
»Aye. Und jetzt hör mir zu, Sheemie. Ganz genau.«
Sie begann zu reden, und Sheemie hörte zu.
10
Zwanzig Minuten später, als sich der aufgeblähte orangerote Mond wie eine schwangere Frau, die einen steilen Hügel erklomm, über die Häuser der Stadt quälte, führte ein einsamer vaquero einen Esel die Hill Street entlang auf das Büro des Sheriffs zu. Dieses Ende der Hill Street lag vollkommen im Schatten. Um den Green Heart herum war etwas Licht zu sehen, aber der Park selbst (der in jedem anderen Jahr überfüllt, laut und hell erleuchtet gewesen wäre) war weitgehend menschenleer. Fast alle Stände hatten geschlossen, und von den wenigen, die geöffnet hatten, hatte nur die Wahrsagerin einen nennenswerten Zulauf. Heute konnte sie nur Schlechtes prophezeien, aber dennoch kamen die Leute zu ihr – taten sie das nicht immer?
Der vaquero trug einen schweren serape; falls dieser besondere Cowboy die Brüste einer Frau hatte, so waren diese gut verborgen. Der vaq trug einen großen sombrero mit Schweißflecken; falls dieser Cowboy das Gesicht einer Frau hatte, war es ebenfalls verborgen. Unter der breiten Hutkrempe sang eine leise Stimme »Careless Love«.
Der Sattel des Esels war unter einem großen Bündel verborgen, das daran festgebunden worden war – Tuch oder Kleidungsstücke, obwohl man es in der Dunkelheit unmöglich sagen konnte. Am amüsantesten jedoch war das, was wie ein eigenartiges Ernteamulett um den Hals des Esels hing: zwei sombreros und ein Viehtreiberhut an einer Schnur.
Als sich der vaq dem Büro des Sheriffs näherte, hörte der Gesang auf. Das Büro wirkte eigentlich verlassen, wäre da nicht das schwache Licht durch eines der Fenster zu sehen gewesen. Im Schaukelstuhl auf der Veranda saß eine komische Strohpuppe mit einer bestickten Weste von Herk Avery samt einem Blechstern. Wachen waren keine zu sehen, und nichts deutete darauf hin, dass die drei meistgehassten Männer in Mejis dort inhaftiert waren. Nun konnte der vaquero ganz leise die Klänge einer Gitarre hören.
Das schwache Knattern von Krachern übertönte es. Der vaq sah über die Schulter und erblickte eine dunkle Gestalt. Sie winkte. Der vaquero nickte, winkte zurück und band den Esel am Pfosten fest – demselben, an dem Roland und seine Freunde ihre Pferde festgebunden hatten, als sie einst an einem Sommertag vor langer, langer Zeit gekommen waren, um dem Sheriff ihre Aufwartung zu machen.
11
Die Tür ging auf – niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie abzuschließen –, während Dave Hollis schätzungsweise zum zweihundertsten Mal versuchte, die Überleitung von »Captain Mills, You Bastard« zu spielen. Ihm gegenüber saß Sheriff Avery zurückgelehnt auf seinem Schreibtischstuhl und hatte die Hände auf seiner Wampe verschränkt. Weiches, orangerotes Licht erfüllte den Raum.
»Wenn Sie nicht aufhören, Hilfssheriff Dave, wird es keine Hinrichtung geben müssen«, sagte Cuthbert Allgood. Er stand an der Tür einer der Zellen und hatte die Hände um die Gitterstäbe gelegt. »Wir werden uns selbst umbringen. Aus reiner Notwehr.«
»Halt den Mund, du Wurm«, sagte Sheriff Avery. Im Anschluss an vier Koteletts zum Abendessen war er halb am Dösen und dachte daran, wie er seinem Bruder (und seiner Schwägerin, die atemberaubend hübsch war) in der benachbarten Baronie von diesem Heldentag erzählen würde. Er würde bescheiden sein, ihnen aber trotzdem klar machen, dass er eine maßgebliche Rolle gespielt hatte; wäre er nicht gewesen, hätten diese drei jungen ladrónes vielleicht…
»Wenn Sie nur nicht singen«, sagte Cuthbert zu Hollis. »Ich werde den Mord an Arthur Eld persönlich gestehen, wenn Sie nur nicht singen.«
Links von Bert saß Alain im Schneidersitz auf seiner Pritsche. Roland lag auf der seinen, hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und starrte zur Decke. Im selben Augenblick jedoch, als die Türfalle klickte, hatte er sich schon in eine sitzende Haltung aufgerichtet. Als hätte er nur darauf
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