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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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hinten geschleudert; zwischen zwei Zacken des Sterns, den er trug, klaffte in seinem Hemd ein rauchendes Loch. Er hatte die Augen vor Ungläubigkeit weit aufgerissen. Sein Monokel lag an dessen schwarzen Seidenband neben der ausgestreckten Hand. Mit einem Fuß stieß er an die Gitarre und warf sie dadurch zu Boden, wo sie ein Geräusch von sich gab, das fast so musikalisch klang wie die Akkorde, an denen er sich zuvor versucht hatte.
    »Dave«, flüsterte sie. »O Dave, es tut mir Leid, was habe ich bloß getan?«
    Hollis versuchte aufzustehen, kippte aber vornüber aufs Gesicht. Das Loch an der Vorderseite war klein gewesen, aber das Loch, das sie nun hinten in seinem Rücken sehen konnte, war riesig und scheußlich, schwarz und rot inmitten verkohlter Stofffetzen… so als hätte sie ihn mit einem glühenden Schürhaken durchbohrt und nicht etwa erschossen, etwas, was barmherzig und zivilisiert hätte sein sollen, aber beides eindeutig nicht war.
    »Dave«, flüsterte sie. »Dave, ich…«
    »Susan, pass auf!«, rief Roland.
    Es war Avery. Er kam auf Händen und Knien angekrochen, packte sie an den Fesseln und riss ihr die Füße weg. Sie landete mit einem Plumps so heftig auf dem Hintern, dass ihr die Zähne aufeinander schlugen, und sah sich ihm plötzlich Auge in Auge gegenüber – sein froschäugiges, großporiges Gesicht, sein Loch von einem Mund, das nach Knoblauch roch.
    »Götter, du bist ein Mädchen«, flüsterte er und streckte die Hände nach ihr aus. Sie drückte Rolands Waffe ein weiteres Mal ab, setzte dadurch die Vorderseite ihres serape in Brand und pustete ein Loch in die Decke. Gipsstaub regnete herab. Avery legte ihr seine feisten Hände um den Hals und drückte ihr die Luft ab. Irgendwo, weit entfernt, schrie Roland ihren Namen.
    Ihr blieb nur eine Möglichkeit, zu entkommen.
    Möglicherweise.
    Eine ist genug, Sue, meldete sich ihr Vater in ihrem Kopf zu Wort. Mehr als eine brauchst du nicht, mein Schatz.
    Sie spannte Rolands Revolver mit dem Daumen, stieß den Lauf tief in die Hautfalte, die von Sheriff Averys Kinn herabhing, und drückte ab.
    Die Schweinerei war beachtlich.
     
     
    13
     
    Averys Kopf fiel ihr so schwer und feucht wie rohes Fleisch in den Schoß. Darüber konnte sie die zunehmende Wärme spüren. Am unteren Rand ihres Gesichtsfelds züngelten gelbe Flammen.
    »Auf dem Schreibtisch!«, rief Roland und riss so heftig an seiner Zellentür, dass sie im Rahmen klirrte. »Susan, der Wasserkrug! Um deines Vaters willen!«
    Sie schubste Averys Kopf von ihrem Schoß, stand auf und stolperte mit brennendem serape zum Schreibtisch. Sie konnte den verbrannten Geruch wahrnehmen und war in einem entlegenen Winkel ihres Verstandes dafür dankbar, dass sie sich die Mühe gemacht hatte, das Haar nach hinten zu binden, während sie auf die Dämmerung gewartet hatte.
    Der Krug war fast voll, aber nicht mit Wasser; sie konnte das süßsaure Aroma von Graf riechen. Sie schüttete das Getränk über sich und vernahm das kurze Zischen, mit dem die Flüssigkeit die Flammen löschte. Sie streifte den serape ab (und den zu großen sombrero gleich mit) und warf beides auf den Boden. Sie betrachtete wieder Dave, einen Jungen, mit dem sie aufgewachsen war, den sie einst, in längst vergangenen Zeiten, vielleicht sogar hinter Hookeys Tor geküsst haben mochte.
    »Susan!« Das war Rolands Stimme, schroff und drängend. »Die Schlüssel! Beeil dich!«
    Susan holte den Schlüsselring von seinem Nagel an der Wand. Sie ging zuerst zu Rolands Zelle und steckte den Ring blind zwischen den Gitterstäben hindurch. Der Gestank von Pulverdampf, verbrannter Wolle und Blut hing schwer in der Luft. Bei jedem Atemzug krampfte sich ihr der Magen zusammen.
    Roland fand den richtigen Schlüssel, hielt ihn zum Gitter hinaus und rammte ihn ins Schloss. Gleich darauf war er draußen und nahm sie ungestüm in die Arme, während ihr die Tränen nur so herabflossen. Einen Augenblick später waren auch Cuthbert und Alain befreit.
    »Du bist ein Engel!«, sagte Alain und umarmte sie ebenfalls.
    »Keineswegs«, sagte sie und weinte nun noch hemmungsloser. Sie hielt Roland die Waffe hin. Der Revolver fühlte sich in ihrer Hand schmutzig an, und sie wollte nie wieder einen anfassen. »Er und ich haben zusammen gespielt, als wir noch Hemdenmätze waren. Er war einer von den Guten – hat nie an Mädchenzöpfen gezogen oder ist ruppig gewesen –, und er war auch als Erwachsener gut. Jetzt habe ich ihn umgebracht, und wer wird es

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