Der Dunkle Turm 4 - Glas
sog an seinem Verstand, aber Alain stopfte sie entschlossen in den Beutel, ohne sie anzusehen… und als er an der Kordel zog und die Öffnung des Beutels verschloss, sah er das rosa Licht erlöschen, so als wüsste es, dass es verloren hatte. Zumindest vorläufig.
Er drehte sich um und verzog das Gesicht, als er den Bluterguss auf Rolands Stirn anschwellen sah. »Ist er…«
»Weggetreten«, sagte Cuthbert.
»Es wäre besser, wenn er bald wieder zu sich käme.«
Cuthbert sah Alain grimmig an, ohne eine Spur seiner sonstigen Heiterkeit. »Ja«, sagte er, »da hast du ganz sicher Recht.«
7
Sheemie wartete am unteren Absatz der Treppe, die in den Küchenbereich hinunterführte, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und wartete darauf, dass Sai Thorin zurückkam oder nach ihm rief. Er wusste nicht, wie lange sie jetzt schon in der Küche war, aber ihm kam es wie eine Ewigkeit vor. Er wollte, dass sie zurückkam, und mehr noch – mehr als alles andere – wollte er, dass sie Susan-Sai mitbrachte. Sheemie hatte ein schreckliches Gefühl, was dieses Haus und diesen Tag betraf; ein Gefühl, das wie der Himmel, der im Westen jetzt ganz rauchverhangen war, immer dunkler wurde. Was da draußen vor sich ging und ob es etwas mit dem Donnern zu tun haben konnte, das er vorhin gehört hatte, wusste Sheemie nicht, aber er wollte hier weg sein, bevor die rauchverhangene Sonne unterging und der echte Dämonenmond, nicht dieser blasse Tagesgeist, am Himmel stand.
Die Schwingtür zwischen Flur und Küche wurde aufgestoßen, und Olive kam hastig heraus. Sie war allein.
»Sie ist tatsächlich in der Vorratskammer«, sagte Olive. Sie strich sich mit den Fingern durch ihr ergrauendes Haar. »So viel habe ich aus diesen beiden pupuras herausbekommen, aber nicht mehr. Ich wusste, dass es so sein würde, sobald sie anfingen, ihr dummes Gekrächz zu sprechen.«
Es gab kein passendes Wort für den Dialekt der vaqueros von Mejis, aber Gekrächz genügte den hochgeborenen Bürgern der Baronie. Olive kannte beide vaqs, die die Kühlkammer bewachten, auf die flüchtige Weise von jemandem, der früher oft ausgeritten war und mit anderen Reitern auf der Schräge getratscht und Gespräche übers Wetter geführt hatte, und sie wusste verdammt gut, dass diese alten Jungs mehr sprechen konnten als nur ihr Gekrächz. Sie hatten es gesprochen, damit sie so tun konnten, als hätten sie sie falsch verstanden, um ihr und ihnen die Peinlichkeit einer unverhohlenen Weigerung zu ersparen. Sie hatte sich weitgehend aus demselben Grund auf das Täuschungsmanöver eingelassen, obwohl sie ihrerseits durchaus auch imstande gewesen wäre, mit Gekrächz zu antworten – und ihnen ein paar Namen zu geben, die sie von ihren Müttern nie gehört hatten –, wenn sie gewollt hätte.
»Ich habe ihnen gesagt, dass Männer oben sind«, sagte sie, »und dass ich glaube, dass die vielleicht das Silber stehlen wollen. Ich habe gesagt, ich wolle, dass die maleficios hinausgeworfen werden. Und sie haben sich trotzdem dumm gestellt. No habla, Sai. Scheiße. Scheiße!«
Sheemie überlegte, ob er die Männer jetzt zwei große alte Hurensöhne nennen sollte, beschloss aber, den Mund zu halten. Sie ging vor ihm auf und ab und warf ab und zu einen wütenden Blick auf die geschlossene Küchentür. Schließlich blieb sie wieder vor Sheemie stehen.
»Mach deine Taschen leer«, sagte sie. »Mal sehen, was du für Krimskrams darin hast.«
Sheemie gehorchte und holte ein kleines Taschenmesser (ein Geschenk von Stanley Ruiz) und einen angegessenen Keks aus der einen. Aus der anderen holte er drei kleine Kracher, einen Kanonenschlag und ein paar Schwefelhölzer.
Olives Augen leuchteten, als sie das sah. »Hör mir zu, Sheemie«, sagte sie.
8
Cuthbert tätschelte Rolands Gesicht – ohne Ergebnis. Alain stieß ihn weg, kniete nieder und ergriff die Hand des Revolvermanns. Er hatte die Gabe der Fühlungnahme noch nie auf diese Weise eingesetzt, wusste aber, dass es möglich war – dass man den Geist eines anderen berühren konnte, zumindest in manchen Fällen.
Roland! Roland, wach auf! Bitte! Wir brauchen dich.
Zuerst tat sich nichts. Dann regte sich Roland, murmelte und entzog Alain seine Hände. In dem Moment, bevor er die Augen aufschlug, erfüllte beide Jungen dieselbe Furcht davor, was sie vielleicht sehen würden: keine Augen mehr, nur wirbelndes rosa Licht.
Aber es waren Rolands Augen – diese blassblauen Kanoniersaugen.
Er wollte
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