Der Dunkle Turm 4 - Glas
wie Hitler und die anderen Nazi-Ratten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs’, sagte Congressman Steve Sloan. Auf die Frage, ob er etwas dagegen habe, mit diesen Worten namentlich zitiert zu werden, lachte der Vertreter von Kansas, ein Republikaner in seiner ersten Amtsperiode, nur und sagte: ‚Warum sollte ich? Ich habe mich selbst schon angesteckt. Nächste Woche um diese Zeit werde ich nichts weiter als Staub im Wind sein.’
Feuersbrünste, die höchstwahrscheinlich auf Brandstiftung zurückgehen, wüten weiterhin in Cleveland, Indianapolis und Terre Haute.
Eine gigantische Explosion, deren Zentrum in der Nähe des Riverfront Stadium in Cincinnati lag, war offenbar nicht atomarer Natur, wie zuerst befürchtet wurde, sondern geschah infolge einer natürlichen Gaskonzentration aufgrund mangelnder…‹«
Jake ließ die Zeitung aus den Händen fallen. Ein Windstoß ergriff sie und wehte sie über den ganzen Bahnsteig, wobei die zusammengelegten Blätter auseinander gerissen wurden. Oy streckte den Hals und packte eines davon im Vorbeifliegen. Er nahm es in den Mund und kam damit so folgsam wie ein Hund mit einem Stöckchen zu Jake getrottet.
»Nein, Oy, ich will es nicht«, sagte Jake. Er hörte sich elend und wieder sehr jung an.
»Wenigstens wissen wir jetzt, wo die ganzen Leute sind«, sagte Susannah, bückte sich und nahm Oy das Blatt ab. Es waren die letzten beiden Seiten. Sie waren voller Todesanzeigen im kleinsten Schriftgrad, den sie je gesehen hatte. Keine Bilder, keine Todesursachen, keine Begräbnistermine. Nur dieser gestorben, geliebter Mann von Soundso, und jener gestorben, geliebter Sohn von Jill und Joe, noch einer gestorben, geliebter was auch immer von wem auch immer. Alles in der winzigen, nicht völlig ebenmäßigen Schrift. Gerade diese Unregelmäßigkeit der Schrift überzeugte sie davon, dass alles der Wirklichkeit entsprach.
Wie sehr sie doch versucht haben, ihre Toten selbst am Ende noch zu ehren, dachte sie und spürte einen Kloß im Hals. Wie sehr sie es versucht haben.
Susannah faltete die vier Seiten zusammen und studierte die Rückseite – die letzte Seite des Capital Journal. Sie zeigte ein Bild von Jesus Christus mit traurigen Augen, ausgestreckten Händen und den Malen der Dornenkrone auf der Stirn. Darunter drei trostheischende Worte in riesigen Buchstaben:
BITT FÜR UNS
Sie sah mit vorwurfsvollem Blick zu Eddie auf. Dann gab sie ihm das Zeitungsblatt und klopfte mit einem braunen Finger auf das Datum ganz oben. Es war der 24. Juni 1986. Eddie war ein Jahr später in die Welt des Revolvermanns gezogen worden.
Er hielt das Blatt lange Zeit in der Hand und strich mit dem Finger immer wieder über das Datum, so als könnte er es mit dieser Bewegung irgendwie ändern. Dann schaute er zu den anderen auf und schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe keine Erklärung für diese Stadt, diese Zeitung oder die Toten hier im Bahnhof, aber eines kann ich mit Fug und Recht behaupten – als ich weggegangen bin, war in New York noch alles in Ordnung. Oder etwa nicht, Roland?«
Der Revolvermann sah etwas gallig drein. »Mir kam nichts in deiner Stadt in Ordnung vor, aber die Menschen, die dort lebten, schienen keine Überlebenden einer derartigen Seuche zu sein, nein.«
»Es gab da etwas, was immer als Legionärskrankheit bezeichnet wurde«, sagte Eddie. »Und natürlich Aids…«
»Das ist die Sex-Krankheit, richtig?«, fragte Susannah. »Die von warmen Brüdern und Drogensüchtigen übertragen wurde?«
»Ja, aber in meinem Wann gehört es nicht zum guten Ton, Schwule als warme Brüder zu bezeichnen«, sagte Eddie. Er versuchte zu lächeln, aber das Lächeln kam ihm steif und unnatürlich vor, daher ließ er es bleiben.
»Also ist das… das nie passiert«, sagte Jake und berührte vorsichtig das Gesicht von Christus auf der Rückseite der Zeitung.
»Aber es ist geschehen«, sagte Roland. »Es geschah zur Juni-Aussaat des Jahres eintausendneunhundertsechsundachtzig. Und wir haben es hier mit den Auswirkungen dieser Seuche zu tun. Wenn Eddie Recht hat, was die Länge des verstrichenen Zeitraums betrifft, hat die Seuche dieser ›Supergrippe‹ zur Juni-Aussaat des letzten Jahres stattgefunden. Wir sind jetzt in Topeka, Kansas, im Erntemonat von sechsundachtzig. Das ist das Wann. Was das Wo betrifft, wissen wir alle, dass es nicht das von Eddie ist. Es könnte deines sein, Susannah, oder deines, Jake, weil ihr eure Welt verlassen habt, bevor dieses Wann eingetroffen ist.« Er
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