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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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seiner Mutter entdeckte. Nur war natürlich nichts davon Zufall gewesen; der Knabe wäre mit einem kurzen Blick an der Tür vorbeigegangen, hätte Marten sie nicht geöffnet und ihn hereingebeten. Marten hatte Roland gesagt, seine Mutter wolle ihn sprechen, aber ein Blick auf ihr schuldbewusstes Lächeln und die niedergeschlagenen Augen, wie sie auf dem Stuhl mit der niederen Lehne saß, hatte dem Jungen verraten, dass er der letzte Mensch auf der Welt war, den Gabrielle Deschain in diesem Moment sehen wollte.
    Alles andere verrieten ihm ihre geröteten Wangen und der Knutschfleck an ihrem Hals.
    So war er von Marten zu einer frühen Mannbarkeitsprüfung verleitet worden, und indem er eine Waffe wählte, mit der sein Lehrer nicht gerechnet hatte – seinen Falken David –, hatte Roland damals Cort besiegt, seinen Stock genommen… und sich Marten Broadcloak zum Feind seines Lebens gemacht.
    Cort, der übel zugerichtet war und dessen geschwollenes Gesicht Ähnlichkeit mit der Koboldmaske eines Kindes bekam, hatte, bevor er ins Koma fiel, noch lange genug gegen die Bewusstlosigkeit gekämpft, um seinem jüngsten Revolvermannanwärter einen Rat zu geben: Halte dich noch eine Weile fern von Marten, hatte Cort gesagt.
    »Er gab mir den Rat, die Geschichte unseres Zweikampfs zur Legende werden zu lassen«, sagte der Revolvermann zu Eddie, Susannah und Jake. »Zu warten, bis Haare im Gesicht meines Schattens wuchsen und dieser Marten in seinen Träumen verfolgte.«
    »Hast du seinen Rat angenommen?«, fragte Susannah.
    »Ich bekam keine Möglichkeit dazu«, sagte Roland. Er verzog das Gesicht zu einem gequälten, schmerzlichen Lächeln. »Ich wollte darüber nachdenken, und zwar ernsthaft, aber bevor ich auch nur damit anfangen konnte, haben sich die Dinge… geändert.«
    »Das tun sie gern, was?«, sagte Eddie. »Meine Güte, ja.«
    »Ich begrub meinen Falken, die erste Waffe, die ich jemals einsetzte, und vielleicht die beste. Dann – und ich bin mir sicher, dass ich dir diesen Teil noch nicht erzählt habe, Jake – ging ich in die Unterstadt. Die Sommerhitze entlud sich in Gewittern und Hagelstürmen, und in einem Zimmer über einem der Bordelle, wo Cort bekanntermaßen ein und aus gegangen war, wohnte ich zum ersten Mal einer Frau bei.«
    Er stocherte nachdenklich mit einem Ast im Feuer, schien die unbewusste Symbolik seines Tuns zu erkennen und warf ihn mit einem schiefen Grinsen weg. Der Ast landete schwelend vor dem Reifen eines liegen gebliebenen Dodge Aspen und ging aus.
    »Es war gut. Der Sex war gut. Natürlich nicht die tolle Sache, über die ich und meine Freunde ständig nachgedacht und geflüstert und gerätselt hatten…«
    »Ich glaube, alle Jungs überschätzen gekaufte Muschis, Süßer«, sagte Susannah.
    »Ich schlief ein und hörte die Trunkenbolde unten zum Klavier singen und den Hagel ans Fenster prasseln. Am nächsten Morgen erwachte ich in… nun, sagen wir einfach, ich erwachte auf eine Weise, wie ich es an so einem Ort nie und nimmer erwartet hätte.«
    Jake legte Holz auf das Feuer. Es loderte auf, beleuchtete Rolands Wangen und malte Halbmonde aus Schatten unter dessen Brauen und Unterlippe. Und als er weiterredete, stellte Susannah fest, dass sie fast sehen konnte, was an jenem längst vergangenen Morgen geschehen war, der nach nassem Kopfsteinpflaster und regenschwangerer Sommerluft gerochen haben musste; was sich in der Kammer einer Hure über einer Schänke in der Unterstadt von Gilead, Sitz der Baronie von Neu-Kanaan, einem kleinen Fleckchen Land in der westlichen Region von Mittwelt, abgespielt hatte.
    Ein Knabe, dem von seinem Kampf am Tag zuvor noch die Knochen wehtaten und der gerade eben in die Geheimnisse des Geschlechtsverkehrs eingeführt worden war. Ein Knabe, der jetzt mehr wie zwölf als wie vierzehn aussah, dessen dichte Wimpern sanft auf den Wangen ruhten, dessen Lider diese außergewöhnlichen blauen Augen schlossen; ein Knabe, der mit einer Hand locker die Brust einer Hure umfing und dessen Handgelenk mit den Narben, die ihm der Falke geschlagen hatte, braungebrannt auf der Tagesdecke lag. Ein Knabe in den letzten Augenblicken des letzten ungetrübten Schlafs seines Lebens; ein Knabe, der sich gleich in Bewegung setzen wird, der fallen wird wie ein losgetretener Kieselstein auf einer steilen und unebenmäßigen Geröllhalde; ein fallender Kieselstein, der einen weiteren mit sich reißt, und noch einen, und alle Kieselsteine reißen weitere mit sich, bis die ganze Halde in

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