Der Dunkle Turm 6 - Susannah
nicht.
Aber sie glaubte ihr doch. Weil die Frau in ihrem Inneren Recht hatte: Mordred Deschain von Gilead und Discordia gehörte ihnen beiden. Der Bösen war das vielleicht egal, aber die andere, Susannah, spürte die Anziehungskraft des kleinen Kerls offenbar deutlich. Und falls sie Recht behielt, was Sayre und die anderen betraf, die im Dixie Pig auf sie warten mochten… falls sie Lügner und Betrüger waren…
Halt! Schluss damit! Ich kann nirgendwo hingehen außer zu ihnen.
Doch das kannst du, sagte Susannah rasch. Mit der Schwarzen Dreizehn kannst du überallhin.
Das verstehst du nicht. Er wird mir folgen. Ihr folgen.
Du hast Recht, das verstehe ich nicht. In Wirklichkeit verstand sie es sehr wohl, glaubte zumindest es zu verstehen, aber… Du musst den Tag verplempern, hatte er gesagt.
Also gut, ich will versuchen, es dir zu erklären. Ich verstehe selbst nicht alles – es gibt Dinge, die ich nicht weiß –, aber ich erzähle dir, was ich kann.
Ich danke d…
Bevor Susannah zu Ende sprechen konnte, fiel Susannah wieder wie Alice ins Kaninchenloch hinunter. Durch die Kloschüssel, durch den Fußboden, durch die Rohre unter dem Fußboden in eine andere Welt.
9
Am Ende ihres Sturzes erwartete sie kein Schloss, diesmal nicht. Roland hatte ihnen einige Geschichten aus seinen Wanderjahren erzählt – von den Vampir-Krankenschwestern und kleinen Ärzten von Eluria, von den wandelnden Wassern von East Downe und natürlich die Geschichte seiner unglücklichen ersten Liebe –, und das jetzige Erlebnis war ein wenig so, als fiele man in eine dieser Erzählungen. Oder vielleicht in eine der Hafer-Opern (»Western für Erwachsene«, wie sie genannt wurden) im noch immer verhältnismäßig neuen ABC-Fernsehen: Sugarfoot mit Ty Hardin, Maverick mit James Garner oder – Odetta Holmes’ persönliche Lieblingsserie – Cheyenne mit Clint Walker. (Odetta hatte einmal einen Brief ans ABC-Programmbüro geschrieben und vorgeschlagen, der Sender könne Neuland betreten und sich zugleich ganz neue Zuschauerkreise erschließen, wenn er eine Serie über einen in den Jahren nach dem Bürgerkrieg umherziehenden Negercowboy bringe. Sie bekam nie eine Antwort. Den Brief überhaupt zu schreiben war vermutlich lächerlich, reine Zeitverschwendung gewesen.)
Hier gab es einen Mietstall, an dem ein Schild verkündete: ZAUMZEUG WIRD PREISWERT GEFLICKT. Das Werbeschild über dem Hotel versprach RUHIGE ZIMMER, GUDE BETTEN. Entlang der Straße gab es mindestens fünf Saloons. Vor einem davon drehte ein verrosteter Roboter, der auf quietschenden Raupen lief, seinen knollenförmigen Kopf von einer Seite zur anderen, während er aus einem hornförmigen Lautsprecher in der Mitte seines rudimentären Gesichts einen Anreißertext über die leere Stadt hinausplärrte: »Girls, Girls, Girls! Manche sind Humies, und manche sind Cybies, aber wen kümmert’s, du merkst keinen Unterschied, sie machen ohne Widerrede, was du willst, Nein gehört nicht zu ihrem Vo-KA-bu-lar, sie garantieren Befriedigung bei jeder Bewegung! Girls, Girls, Girls! Manche sind Cybies, manche sind real, aber wenn du sie angrapschst, merkst du keinen Unterschied! Sie machen, was du willst! Sie wollen, was du willst!«
Neben Susannah lief die schöne junge Weiße mit dem dicken Bauch, den zerkratzten Beinen und dem schulterlangen schwarzen Haar. Als sie jetzt an der grellbunten unechten Fassade des FEDIC GOOD-TINE SALOON, BAR UND TANZBODEN vorbeigingen, trug sie ein ausgeblichenes kariertes Baumwollkleid, das ihre weit fortgeschrittene Schwangerschaft auf eine Weise unterstrich, die sie abnorm, fast wie ein Zeichen der nahenden Apokalypse erscheinen ließ. Die huarachos, die sie auf dem Wehrgang des Schlosses getragen hatte, waren durch abgewetzte und abgetragene Kurzstiefel ersetzt worden. Sie trugen beide Kurzstiefel, deren Absätze jetzt auf dem hölzernen Gehsteig dumpf hallten.
Aus einer der menschenleeren Bars vor ihnen drangen die schmissigen Rhythmen einer Ragtime-Melodie, bei der Susannah sofort eine Zeile aus irgendeinem alten Gedicht einfiel: Eine Horde der Jungs feierte im Malamute Saloon!
Sie sah zu dem Schild über dem Eingang auf und war nicht im Geringsten überrascht, dort die Worte SERVICE’S MALAMUTE SALOON zu lesen.
Sie verlangsamte kurz den Schritt, um einen Blick über die Schwingtüren werfen zu können, und sah ein verchromtes Klavier, das selbsttätig spielte: auf- und abgehende staubige Tasten, nur eine mechanische Musikbox –
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