Der Dunkle Turm 6 - Susannah
sagte er. »Ich kenne sie vom Sehen. Das gilt auch für jeden anderen Verwalter, der sein Geld wert ist, glaub ich. Man will wissen, wer sich im eigenen Revier aufhält.« Roland nickte, als verstünde er das vollkommen. »Erzählen Sie mir, wie dieser Kerl aussieht.«
»Er ist ungefähr eins fünfundsiebzig groß und wiegt… tja, schätzungsweise gut hundert Kilo«, sagte Eddie.
»Also eher stämmig.«
»Wenns beliebt. Und er hat auf beiden Seiten der Stirn nicht mehr viel Haar, fast eine Glatze.« Eddie hob die Hände und strich das eigene Haar von den Schläfen zurück (von denen eine nach dem fast tödlichen Zusammenprall mit der nichtgefundenen Tür noch immer etwas an der Wunde nässte). Er fuhr zusammen, weil sein linker Oberarm dabei schmerzte, aber dort war die Blutung bereits zum Stehen gekommen. Mehr Sorgen machte Eddie die Beinverletzung. Vorerst bekämpfte Cullums Percodan die Schmerzen, aber falls die Kugel noch im Fleisch steckte – was Eddie für möglich hielt –, würde sie irgendwann rausgeholt werden müssen.
»Wie alt ist er?«, fragte Cullum.
Eddie sah zu Roland hinüber, der daraufhin den Kopf schüttelte. Hatte Roland den Buchhändler überhaupt jemals wirklich gesehen? Daran konnte Eddie sich im Augenblick nicht erinnern. Er glaubte, dass das eher nicht der Fall war.
»Mitte bis Ende fünfzig, glaub ich.«
»Er ist der Büchersammler, stimmt’s?«, sagte Cullum und lachte dann über Eddies erstaunten Gesichtsausdruck. »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich mir die Sommergäste gut ansehe. Man weiß nie, wer sich als Schnorrer erweist. Vielleicht sogar glatt als Dieb. Vor acht, neun Jahren hatten wir hier eine Frau aus New Jersey, die sich schließlich als Feuerteufel entpuppt hat.« Cullum schüttelte den Kopf. »Hat wie eine Bibliothekarin aus einer Kleinstadt, wie eine schüchterne kleine Lady ausgesehen, aber dann hat sie überall in Stoneham, Lovell und Waterford die Scheunen angezündet.«
»Woher wissen Sie, dass er Buchhändler ist?«, fragte Roland und warf den Ball zu Cullum zurück, der ihn sofort zu Eddie weiterwarf.
»Das hab ich nicht gewusst«, sagte er. »Nur dass er Bücher sammelt, das hat er nämlich Jane Sargus erzählt. Jane hat einen kleinen Laden an der Stelle, wo die Dimity Road von der Route 5 abzweigt. Das ist ungefähr eine Meile südlich von hier. Dieser Kerl und sein Freund wohnen übrigens in der Dimity Road, falls wir von den richtigen Leuten reden. Aber das tun wir, mein ich.«
»Sein Freund heißt Deepneau«, sagte Eddie und warf Roland den Yaz-Ball zu. Der Revolvermann fing ihn, warf ihn zu Cullum weiter und trat dann an den offenen Kamin, um den letzten Rest der Zigarette auf die wenigen auf dem Rost gestapelten Scheite fallen zu lassen.
»Ich halte mich wie gesagt nicht mit Namen auf, aber der Freund ist hager und scheint ungefähr siebzig zu sein. Er geht, als hätte er Hüftschmerzen. Trägt eine Nickelbrille.«
»Richtig, das ist er«, sagte Eddie.
»Janey nennt ihren kleinen Laden ›Antiquitäten und Kunsthandwerk‹. In der Scheune hat sie Möbel stehen, Kommoden und Schränke und dergleichen, aber spezialisiert ist sie auf Quilts, Gläser und alte Bücher. Das steht sogar an der Ladentür.«
»Cal Tower hat also… was? Er ist einfach reingegangen und hat geschmökert?« Das konnte Eddie nicht glauben – und gleichzeitig konnte er’s doch. Tower hatte sich dagegen gesträubt, New York zu verlassen, selbst nachdem Jack Andolini und George Biondi ihm gedroht hatten, seine wertvollsten Bücher vor seinen Augen zu verbrennen. Und sobald Deepneau und er hier angekommen waren, hatte der Idiot sich auf dem Postamt in die Liste von Empfängern postlagernder Sendungen eintragen lassen – zumindest hatte das sein Freund Aaron getan, und aus der Sicht der Bösewichte war einer so gut wie der andere. Callahan hatte ihm eine schriftliche Warnung zukommen lassen, er solle sofort damit aufhören, Reklame für seine Anwesenheit in East Stoneham zu machen. Wie dämlich kann man bloß sein???, hatte der Pere als letzten Satz seiner Mitteilung an Sai Tower geschrieben, und die Antwort schien zu lauten: Dümmer als Bohnenstroh.
»Haja«, sagte Cullum. »Bloß hat er viel mehr getan, als nur zu schmökern.« Seine Augen, blau wie Rolands Augen, funkelten. »Hat bei Jane für ein paar hundert Dollar Lesestoff gekauft und alles mit Reiseschecks bezahlt. Dann hat er sich von ihr eine Liste der übrigen Antiquariate in unserer Gegend geben lassen. Das
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