Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
–, er machte sich etwas aus ihnen. Der Umgang mit ihnen war jedenfalls einfacher als mit den Mördern, Sittlichkeitsverbrechern und Straßenräubern in Attica.
Manche lasen alte Zeitungen oder Zeitschriften. Ein Quartett warf Hufeisen. Ein weiteres Quartett war auf dem Putting Green. Tanya Leeds und Joey Rastosovich, deren Gesichter von Sonnenlicht gesprenkelt waren, spielten unter einer prächtigen alten Ulme Schach. Sie begrüßten ihn aufrichtig erfreut und hatten offenbar allen Grund dazu. Immerhin war Tanya Leeds jetzt eigentlich Tanya Rastosovich, weil Pimli die beiden vor einem Monat getraut hatte – genau wie ein Schiffskapitän. Und irgendwie fand er, dass es das war: das gute Schiff Algul Siento, ein Kreuzfahrtschiff, das die dunklen Meere von Donnerschlag unter seinem sonnigen Scheinwerfer befuhr. Diese Sonne fiel manchmal aus, sprecht wahr, aber der heutige Ausfall war nur eine Bagatelle gewesen: lediglich dreiundvierzig Sekunden.
»Wie geht’s, Tanya? Joseph?« Immer Joseph, niemals Joey, zumindest nicht als Anrede; er mochte die Koseform nicht.
Die beiden antworteten, ihnen gehe es ausgezeichnet, und bedachten ihn mit jenem benommenen, fickseligen Lächeln, zu dem nur Jungverheiratete imstande waren. Zu dem Ehepaar Rastosovich hatte Finli nichts gesagt, aber er blieb vor einem jungen Mann stehen, der unter einem Baum auf einer Bank aus imitiertem Marmor saß und ein Buch las.
»Sai Earnshaw?«, sagte der Taheen.
Dinky sah auf und zog höflich fragend die Augenbrauen hoch. Sein durch starke Akne entstelltes Gesicht trug den gleichen höflichen Nicht-Ausdruck.
»Wie ich sehe, lesen Sie Der Magus«, sagte Finli beinahe schüchtern. »Ich selbst lese gerade Der Sammler. Ein merkwürdiger Zufall!«
»Wenn Sie meinen«, antwortete Dinky. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht.
»Mich würde interessieren, was Sie von Fowles halten. Ich bin im Augenblick sehr beschäftigt, aber vielleicht könnten wir später über ihn diskutieren.«
Dinky Earnshaw machte weiter sein höflich ausdrucksloses Gesicht und sagte: »Vielleicht könnten Sie später Ihr Exemplar von Der Sammler – Hardcover, wie ich hoffe – nehmen und es sich in Ihren pelzigen Arsch stecken. Und zwar quer.«
Finlis hoffnungsvolles Lächeln verschwand. Er machte eine kleine, aber formvollendete Verbeugung. »Ich bedaure, dass Sie so denken, Sai.«
»Scheren Sie sich zum Teufel!«, sagte Dinky. Er schlug sein Buch wieder auf und hielt es sich demonstrativ vors Gesicht.
Pimli und Finli gingen weiter. Nun folgte eine Zeit des Schweigens, während der der Oberaufseher von Algul Siento auf unterschiedliche Weise an Finli heranzukommen versuchte, um zu ergründen, wie sehr die Abfuhr des jungen Mannes ihn verletzt hatte. Der Taheen war stolz auf seine Fähigkeit, Hume-Literatur lesen und darin aufgehen zu können, das wusste Pimli. Schließlich nahm Finli ihm die Mühe ab, indem er sich mit zwei langfingrigen Händen – sein Arsch war eigentlich nicht pelzig, wohl aber die Hände – in den Schritt griff.
»Will mich bloß vergewissern, dass meine Eier noch da sind«, sagte er, und Pimli hatte den Eindruck, dass die gute Laune im Ton seines Sicherheitschefs echt war und nicht etwa gekünstelt.
»Tut mir Leid, dass der so unfreundlich war«, sagte Pimli. »Falls irgendjemand im Blauen Himmel unter authentischer postpubertärer Angst leidet, ist das Sai Earnshaw.«
»›Oh, ihr macht mich alle verrückt!‹«, stöhnte Finli, und als Pimli ihn darauf verblüfft anstarrte, grinste Finli und ließ nadelspitze Zähne sehen. »Das ist ein berühmtes Zitat aus dem Film … denn sie wissen nicht, was sie tun«, sagte er. »Dinky Earnshaw erinnert mich irgendwie an James Dean.« Er machte eine nachdenkliche Pause. »Ohne dessen unvergesslich gutes Aussehen, versteht sich.«
»Ein interessanter Fall«, sagte Prentiss. »Ursprünglich ist er für ein Auftragsmörder-Programm einer Tochtergesellschaft von Positronics angeworben worden. Er hat seinen Führungsoffizier ermordet und ist geflüchtet. Wir haben ihn natürlich erwischt. Er hat nie ernsthaft Schwierigkeiten gemacht – nicht hier bei uns –, aber er legt’s darauf an, einem auf die Nerven zu gehen.«
»Aber du findest, dass das kein Problem ist.«
Pimli betrachtete ihn von der Seite. »Gibt’s irgendwas, von dem du findest, dass ich’s wissen sollte?«
»Nein, nein. Ich habe dich nur noch nie so nervös wie in den letzten Wochen erlebt. Teufel, um das Kind beim rechten
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