Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
Namen zu nennen – so paranoid.«
»Von meinem Großvater habe ich da so eine Redensart«, antwortete Pimli. »›Dass man die Eier fallen lassen könnte, fürchtet man erst, wenn man fast zu Hause ist.‹ Und wir sind jetzt fast zu Hause.«
Und das stimmte. Vor siebzehn Tagen, nicht lange bevor der letzte Schub Wölfe durch die Tür des Bereitstellungsraums von Bogen 16 galoppiert war, hatten ihre Registriergeräte im Keller des Damli House die erste messbare Durchbiegung des Bär-Schildkröte-Balkens aufgezeichnet. Seit damals war der Adler-Löwe-Balken gebrochen. Bald würden die Brecher nicht mehr gebraucht werden; bald würde der vorletzte Balken zersplittern – ob mit oder ohne ihre Hilfe. Das Ganze glich einem Gegenstand in labilem Gleichgewicht, der nun zu schwanken begonnen hatte. Bald würde er zu weit aus seiner idealen Gleichgewichtslage geraten und dann fallen – oder brechen, da es sich ja um einen Balken handelte. Von einem Augenblick zum anderen nicht mehr existieren. Es war der Turm, der fallen würde. Der letzte Balken, der von Wolf und Elefant, würde vielleicht noch eine Woche, vielleicht einen Monat lang halten, aber bestimmt nicht viel länger.
Der Gedanke daran hätte Pimli eigentlich erfreuen müssen, aber das tat er nicht. Vor allem nicht, weil er in Gedanken längst wieder bei den Grünkitteln war. Mit Ziel Callas hatten letztes Mal wieder etwa sechzig – das übliche Kontingent – von ihnen hinübergewechselt, und eigentlich hätten sie in den üblichen zweiundsiebzig Stunden mit der üblichen Anzahl von Calla-Kindern zurück sein müssen.
Stattdessen … nichts.
Er fragte Finli, was er davon halte.
Finli blieb stehen und machte ein ernstes Gesieht. »Ich glaube, es könnte ein Virus gewesen sein«, sagte er.
»Erflehe Verzeihung?«
»Ein Computervirus. Das ist uns mit vielen unserer Computer im Damli House passiert, und unabhängig davon, wie erschreckend die Grünkittel auf eine Bande von Reisfarmern wirken mögen, in Wirklichkeit sind sie doch nur Computer auf Beinen.« Er hielt kurz inne. »Oder die Calla- Folken haben eine Möglichkeit gefunden, sie zu erledigen. Würde mich das überraschen, wenn sie sich endlich auf die Hinterbeine gestellt und gekämpft hätten? Ein bisschen, aber nicht sehr. Vor allem nicht, wenn sie einen Mutigen gefunden haben, der aufgestanden ist, um sie zu führen.«
»Vielleicht jemand wie ein Revolvermann?«
Finli bedachte ihn mit einem Blick, der knapp an gönnerhaft vorbeischrammte.
Ted Brautigan und Stanley Ruiz kamen gerade auf Zehngang-Fahrrädern den Bürgersteig entlang, und als Oberaufseher und Sicherheitschef grüßend die Hände hoben, erwiderten beide diesen Gruß. Brautigan lächelte zwar nicht, aber Ruiz bedachte sie mit dem lockeren, unbekümmerten Grinsen eines Mannes, der nicht ganz richtig im Kopf war. Obwohl er ganz aus Glupschaugen, Bartstoppeln und von Spucke glänzenden Lippen zu bestehen schien, war er mental unglaublich stark, bei Gott, das war er, und jemand wie er konnte Dümmeres tun, als sich Brautigan anzuschließen, der sich völlig verändert hatte, seit er aus seinem kleinen »Urlaub« in Connecticut zurückgeholt worden war. Pimli zeigte sich über die identischen Tweedmützen der beiden Männer – auch ihre Räder waren identisch – amüsiert, nicht aber über Finlis Blick.
»Lass das«, sagte Pimli.
»Was soll ich lassen?«, fragte Finli.
»Mich wie einen kleinen Jungen anzusehen, der gerade die obere Hälfte seiner Eiswaffel verloren, aber nicht Grips genug hat, um das zu merken.«
Aber Finli machte keinen Rückzieher. Das tat er selten, was wiederum eine der Eigenschaften war, die Pimli an ihm schätzte. »Wenn du nicht willst, dass die Leute dich wie ein Kind ansehen, darfst du dich auch nicht wie eins benehmen. Gerüchte über Revolvermänner, die aus Mittwelt kommen sollen, um die Callas zu retten, laufen seit über tausend Jahren um. Aber bisher ist noch niemals einer nachweislich gesichtet worden. Ich persönlich würde eher an einen bevorstehenden Besuch deines Jesusmenschen glauben.«
»Die Rods sagen …«
Finli zuckte zusammen, als bereitete ihm das wirklich Kopfschmerzen. »Fang bitte nicht davon an, was die Rods sagen. Du achtest meine Intelligenz – und deine – bestimmt höher, als dass du ihr das zumuten würdest. Ihre Gehirne haben sich noch schneller zersetzt als ihre Haut. Und was die Wölfe betrifft, plädiere ich für eine radikal neue Sicht der Dinge: Wo sie sind oder was ihnen
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