Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
fünfundzwanzig Stunden von jetzt an«, sagte Roland. »Beziehungsweise etwas weniger.«
Dinky nickte. »Aber falls du auf heilloses Durcheinander rechnest, vergiss es. Jeder kennt seinen Platz und begibt sich auch umgehend dorthin. Das ist alles eingespielt.«
»Trotzdem«, sagte Roland, »dürfte das für uns der günstigste Augenblick sein.« Dann sah er zu seinem alten Freund aus Mejis hinüber. Und winkte ihn zu sich heran.
5
Sheemie stellte sofort seinen Teller beiseite, kam zu Roland und führte die Faust an die Stirn. »Heil, Roland … Will Dearborn, der einst war.«
Roland erwiderte den Gruß, dann sah er zu Jake hinüber. Der Junge erwiderte den Blick unsicher. Roland nickte ihm zu, worauf auch Jake zu ihm kam. Nun standen Jake und Sheemie einander gegenüber, während der zwischen ihnen hockende Roland sie gar nicht mehr anzusehen schien, nachdem er sie zusammengebracht hatte.
Jake hob eine Faust an die Stirn.
Sheemie erwiderte diese Geste.
Jake blickte auf Roland hinab und fragte: »Was soll ich tun?«
Roland gab keine Antwort, sondern blickte nur gelassen in Richtung Höhleneingang, als gäbe es in der anscheinend endlosen Düsternis dort draußen etwas, was sein Interesse erregte. Und Jake wusste, was von ihm erwartet wurde; er wusste es so sicher, als hätte er in Rolands Gedanken gelesen, um es zu erfahren (was er ganz entschieden nicht getan hatte). Sie waren an eine Weggabelung gekommen. Es war Jake gewesen, der vorgeschlagen hatte, Sheemie entscheiden zu lassen, welchen Weg sie nehmen würden. Zum damaligen Zeitpunkt war ihm das wie eine verrückt gute Idee vorgekommen – Gott mochte wissen, warum. Als Jake jetzt in dieses müde, ernsthafte, nicht sonderlich intelligente Gesicht mit den blutunterlaufenen Augen sah, fragte er sich zweierlei: Was hatte ihn bloß dazu gebracht, diesen Vorschlag zu machen, und wieso hatte nicht jemand – möglicherweise Eddie, der sich trotz allem, was sie durchgemacht hatten, einen verhältnismäßig kühlen Kopf bewahrt hatte – ihm freundlich, aber bestimmt erklärt, ihre Zukunft in Sheemie Ruiz’ Hände zu legen sei eine dämliche Idee? Total gaga, wie seine alten Schulkameraden auf der Piper School vermutlich gesagt hätten. Und nun wollte Roland, nach dessen Überzeugung es selbst im Schatten des Todes noch etwas zu lernen gab, dass Jake die Frage stellte, die er selbst vorgeschlagen hatte, und die Antwort würde ihn zweifellos als den abergläubischen Wirrkopf entlarven, zu dem er sich entwickelt hatte. Aber warum sollte er sie nicht doch stellen? Warum nicht, selbst wenn das dem Hochwerfen einer Münze entsprach? Jake war – möglicherweise am Ende eines kurzen, aber unbestreitbar interessanten Lebens – in eine Welt gelangt, in der es magische Türen, mechanische Butler, Telepathie (die er selbst in sehr beschränktem Umfang beherrschte), Vampire und Werspinnen gab. Weshalb sollte er also nicht Sheemie wählen lassen? Schließlich mussten sie den einen oder den anderen Weg nehmen, und er hatte schon zu gottverdammt viel mitgemacht, um sich Sorgen darüber zu machen, er könnte vor seinen Gefährten wie ein Idiot dastehen. Außerdem, dachte er, wenn ich nicht hier unter Freunden bin, bin ich’s nirgends und nie.
»Sheemie«, sagte er. In diese blutunterlaufenen Augen zu blicken war entsetzlich, aber er zwang sich trotzdem dazu. »Wir sind mit einem Auftrag unterwegs. Das heißt, dass wir eine Aufgabe haben. Wir …«
»Ihr müsst den Turm retten«, sagte Sheemie. »Und mein alter Freund soll ihn betreten und bis ganz oben hinaufsteigen, um zu sehen, was zu sehen ist. Vielleicht gibt’s eine Wiederaufnahme, vielleicht gibt’s den Tod, vielleicht beides. Er war einst Will Dearborn, aye, das war er. Will Dearborn für mich.«
Jake sah zu Roland hinunter, der weiter dahockte und in die Düsternis vor der Höhle starrte. Aber sein Gesicht war blass geworden und trug jetzt einen seltsamen Ausdruck, wie Jake fand.
Mit einem Finger machte Roland die kreisende Geste, die Los, weiter! bedeutete.
»Ja, wir sollen den Dunklen Turm retten«, sagte Jake. Und glaubte in diesem Augenblick, etwas von Rolands Begier zu verstehen, den Turm zu sehen und zu betreten, selbst wenn das seinen Tod bedeutete. Was lag im Mittelpunkt des Universums? Welcher Mann (oder Junge) konnte sich das nicht fragen, sobald diese Frage einmal angeschnitten war, und es mit eigenen Augen sehen wollen?
Selbst wenn dieser Anblick ihn zum Wahnsinn trieb?
»Aber damit
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