Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
wir das können, müssen wir zwei Aufgaben ausführen. Eine besteht darin, in unsere Welt zurückzukehren und einen Mann zu retten. Einen Schriftsteller, der unsere Geschichte erzählt. Von der anderen haben wir schon gesprochen: die Brecher zu befreien.« Aus Ehrlichkeit fügte Jake hinzu: »Oder sie sonst wie aufzuhalten. Verstehst du das?«
Diesmal gab Sheemie jedoch keine Antwort. Er starrte wie Roland in die Düsternis vor der Höhle hinaus. Sein Gesichtsausdruck war der eines Hypnotisierten. Bei diesem Anblick war Jake unbehaglich zumute, aber er machte weiter. Schließlich war er jetzt bei seiner Frage angelangt, und was blieb ihm anderes übrig, als sie auch tatsächlich zu stellen?
»Die Frage ist, welche Aufgabe sollen wir uns zuerst vornehmen? Den Schriftsteller zu retten scheint auf den ersten Blick leichter zu sein, weil es keine Gegner gibt … zumindest keine, von denen wir wissen … aber natürlich besteht die Möglichkeit, dass … na ja …« Jake wollte nicht Aber natürlich besteht die Möglichkeit, dass du als unser Teleporter ums Leben kommst sagen – deshalb dieser lahme und unbefriedigende Schluss.
Einige Augenblicke lang glaubte er, dass Sheemie keine Antwort geben würde und ihn damit vor die Entscheidung stellen, ob er es noch einmal versuchen sollte oder nicht, aber dann hob der ehemalige Saloonjunge doch wieder zu sprechen an. Er sah dabei allerdings keinen von den Anwesenden an, sondern starrte weiter aus der Höhle in die Düsternis Donnerschlags hinaus.
»Ich hab letzte Nacht einen Traum gehabt, das hatte ich«, sagte Sheemie von Mejis, dem drei junge Revolvermänner aus Gilead einst das Leben gerettet hatten. »Ich hab geträumt, ich war wieder im Travellers’ Rest, nur war weder Coral da noch Stanley, noch Pettie, noch Sheb – er, der das Pianer gespielt hat. Ich war ganz allein, und ich hab den Boden aufgewischt und dazu ›Careless Love‹ gesungen. Dann kreischten die Fledermausflügel, das taten sie, sie haben einen komischen Ton gemacht …«
Jake sah Roland mit der Spur eines Lächelns auf den Lippen nicken.
»Und wie ich aufsehe«, fuhr Sheemie fort, »kommt dieser Junge rein.« Sein Blick glitt kurz zu Jake hinüber, dann starrte er wieder in die Düsternis hinaus. »Er hat wie Ihr ausgesehen, junger Sai, das hat er getan, ähnlich genug, um Euer Zwilling zu sein. Aber sein Gesicht war voller Blut, und eines seiner Augen fehlte, was sein hübsches Aussehen verdorben hat, und er hat stark gehinkt. Hat wie der Tod ausgesehen, das hat er, und mich schrecklich geängstigt, aber es hat mich auch traurig gemacht, ihn so zu sehen. Ich hab einfach weitergewischt, weil ich dachte, er würde dann vielleicht nicht auf mich achten oder mich gar nicht sehen und wieder weggehen.«
Jake merkte, dass er diese Geschichte kannte. Hatte er sie miterlebt? War dieser Junge mit dem blutigen Gesicht tatsächlich er gewesen?
»Aber er hat dir ins Gesicht gesehen …«, murmelte Roland, weiterhin in der Hocke, weiterhin in die Düsternis starrend.
»Aye, Will Dearborn, der einst war, mir ins Gesicht gesehen, das hat er getan und dabei gesagt: ›Warum musst du mich verletzen, wo ich dich doch so liebe? Wo ich doch nichts anderes kann oder will, weil Liebe mich geschaffen und genährt hat und …‹«
»›Und in besseren Tagen am Leben erhalten‹«, murmelte Eddie. Aus einem seiner Augen fiel eine Träne, die einen dunklen Fleck auf dem Höhlenboden hinterließ.
»›… und in besseren Tagen am Leben erhalten. Weshalb fügst du mir Schnittwunden zu und entstellst mein Gesicht und erfüllst mich mit Leid? Ich habe dich nur um deiner Schönheit willen geliebt, wie du mich einst um meiner willen geliebt hast, bevor die Welt sich weiterbewegt hat. Jetzt zerkratzt du mich mit deinen Nägeln und träufelst mir brennendes Quecksilber in die Nase; du hast wilde Tiere auf mich gehetzt, das hast du, und sie haben von meinen Weichteilen gefressen. Um mich herum versammeln sich die Can-Toi, und es gibt keine Ruhe vor ihrem Gelächter. Trotzdem liebe ich dich weiterhin und würde dir dienen und sogar die Magie wieder herstellen, wenn du’s zuließest, denn dafür wurde mein Herz geschaffen, als ich aus der Prim entstanden bin. Und einst war ich stark und schön, aber jetzt ist meine Kraft fast erschöpft.‹«
»Du hast geweint«, sagte Susannah, und Jake dachte: Natürlich hat er das getan. Auch er weinte. Ted Brautigan und Dinky Earnshaw ebenfalls. Nur Roland standen keine Tränen in den
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