Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
es daraufhin wieder aufsprang (wie eine störrische Jalousie, fand er), leckte er einen Daumen an und schloss es damit. Diesmal blieb es geschlossen.
Jakes Hemd war staubig und blutbefleckt. Roland zog sein eigenes aus, bekleidete Jake damit und bewegte ihn dabei wie eine Puppe, um es ihm anzuziehen. Das Hemd reichte Jake bis fast zu den Knien, aber Roland versuchte gar nicht erst, es in die Jeans zu stecken; so verdeckte es immerhin auch die Blutflecken auf Jakes Hose.
Das alles verfolgte Oy mit goldgeränderten Augen, die in Tränen schwammen.
Roland hatte erwartet, dass der Boden unter dem dicken Nadelteppich weich sein würde, und das war er auch. Er war mit Jakes Grab schon ziemlich weit, als er von der Straße her ein Motorengeräusch hörte. Andere Motorkutschen waren vorbeigekommen, seit er Jake in den Wald getragen hatte, aber er erkannte den unrunden Lauf dieses Motors sofort. Der Mann mit dem blauen Wagen war zurückgekommen. Roland war sich nicht ganz sicher gewesen, dass der Mann das auch wirklich tun würde.
»Bleib hier«, wies er den Bumbler halblaut an. »Bewach dein Herrchen.« Aber das war falsch. »Bleib hier und bewach deinen Freund.«
Es wäre nicht ungewöhnlich gewesen, wenn Oy den Befehl ebenso leise wiederholt hätte (B’eib! war ungefähr das Beste, was er hätte herausbringen können), aber diesmal sagte er nichts. Roland sah jedoch, wie er sich neben Jakes Kopf legte und eine Fliege aus der Luft schnappte, die sich auf die Nase des Jungen setzen wollte. Roland nickte zufrieden und ging dann in Richtung Straße zurück.
7
Als Roland ihn wieder zu Gesicht bekam, war Bryan Smith aus seiner Motorkutsche gestiegen und saß mit seinem Spazierstock über den Knien auf der Steinmauer. (Roland hatte keine Ahnung, ob dieser Stock nur eine affektierte Angewohnheit oder wirklich nötig war, aber auch das war ihm einerlei.) King hatte eine Art schwammiges Bewusstsein zurückerlangt. Die beiden Männer redeten miteinander.
»Sagen Sie mir bitte, dass es nur verstaucht ist«, sagte der Schriftsteller mit schwacher, besorgter Stimme.
»Von wegen! Ihr Bein ist sechs- bis siebenmal gebrochen, würd ich sagen.« Nachdem Smith jetzt Zeit gehabt hatte, sich zu beruhigen, sich vielleicht sogar eine Story zurechtzulegen, klang seine Stimme nicht nur ruhig, sondern fast heiter.
»Sie bauen einen echt auf«, sagte King. Die sichtbare Hälfte seines Gesichts war sehr blass, aber die Blutung aus der Platzwunde auf der Stirn war beinahe zum Stehen gekommen. »Haben Sie eine Zigarette für mich?«
»Nee«, sagte Smith mit demselben unheimlich fröhlichen Ton. »Hab’s Rauchen aufgegeben.«
Obwohl Rolands Gabe zur Fühlungnahme nicht sonderlich ausgeprägt war, spürte er doch, dass das nicht stimmte. Aber Smith hatte nur noch drei Zigaretten und wollte sie sich nicht mit diesem Mann teilen, der sich bestimmt genügend Zigaretten leisten konnte, um seinen ganzen Van damit zu füllen. Außerdem glaubte Smith …
»Außerdem solltn Leute, die ’nen Unfall hattn, nich rauchn«, sagte Smith tugendhaft.
Der Schriftsteller nickte. »Krieg ohnehin kaum Luft«, murmelte er dann.
»’scheinlich ein, zwei Rippen gebrochen. Ich heiße Bryan Smith. Ich hab Sie angefahrn. Sorry.« Er streckte ihm die Hand hin, die King dann unglaublicherweise auch schüttelte.
»So was is mir noch nie passiert«, sagte Smith. »Ich hab nie auch nur ’nen Strafzettel für Falschparken gekriegt.«
Auch wenn King das vielleicht als Lüge erkannte, zog er es vor, sich nicht dazu zu äußern. Ihn bewegte etwas anderes. »Mr. Smith … Bryan … war hier nicht noch jemand?«
Unter den Bäumen versteifte Roland sich.
Smith schien tatsächlich darüber nachzudenken. Er griff in seine Tasche, holte einen Mars-Schokoriegel heraus und wickelte ihn aus. Dann schüttelte er den Kopf. »Bloß Sie und ich. Aber ich hab vom Laden aus den Rettungsdienst angerufn. Die haben gesagt, dass jemand ganz in der Nähe is. Dass jemand ganz schnell kommt. Machn Sie sich man bloß keine Sorgen.«
»Sie wissen, wer ich bin.«
»Gott, yeah!«, sagte Bryan Smith schmunzelnd. Er biss von dem Schokoriegel ab und sprach mit vollem Mund weiter. »Hab Sie gleich erkannt. Hab alle Ihre Filme gesehn. Am besten hat mir der mit dem Bernhardiner gefalln. Wie hat der Hund gleich wieder geheißn?«
»Cujo«, sagte King. Das war ein Wort, das Roland kannte, weil Susan Delgado ihn manchmal so genannt hatte. In Mejis bedeutete Cujo nichts anderes als
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