Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
zitternden Fäusten geballt vors Gesicht hielt, die Augen zusammenkniff und die Zähne fletschte. Mitten auf ihrer Stirn pulsierte eine beängstigend stark hervortretende Ader; eine weitere trat an der Säule ihres Halses hervor.
»HEEEJAHHHH!«, kreischte sie. »COMMALA, DU HÜBSCHER BASTARD! COMMALA-COME-COME!«
»Dan-Tete«, murmelte der Habichtmann Jey, und die anderen griffen die Worte ehrfürchtig flüsternd auf: »Dan-Tete … Dan-Tete … commala Dan-Tete.« Das Kommen des kleinen Gottes.
Diesmal war nicht nur der Scheitel zu sehen, sondern der Kopf des Kindes trat ganz aus. Susannah sah, dass die Hände vor seiner blutbespritzten Brust winzige Fäuste bildeten, die von Leben zitterten. Sie sah weit offene blaue Augen, die mit ihrem hellwachen Blick und ihrer Ähnlichkeit mit Rolands Augen fast bestürzend waren. Sie sah pechschwarze Wimpern, die mit winzigen Blutstropfen besetzt waren: barbarischer Geburtsschmuck. Susannah sah – ein Anblick, den sie nie vergessen würde –, wie die Unterlippe des Babys sich an den kleinen Schamlippen seiner Mutter verfing. Der Mund des Babys wurde kurz aufgezogen und ließ dabei eine perfekte Reihe kleiner Zähne im Unterkiefer sehen. Es waren Zähne – keine Reißzähne, sondern kleine Menschenzähne –, aber dieser Anblick im Mund eines Neugeborenen jagte Susannah trotzdem einen kalten Schauder über den Rücken. Ebenso wie das Glied des kleinen Kerls, das unverhältnismäßig groß und voll erigiert war. Susannah schätzte, dass es länger als ihr kleiner Finger war.
Mia, die vor Schmerzen und Triumph aufheulte und aus deren hervorquellenden Augen die Tränen nur so strömten, richtete sich auf den Ellbogen auf. Während Scowther geschickt das Baby auffing, streckte sie eine Hand aus und umklammerte Sayres Handgelenk mit eisernem Griff. Sayre stieß einen Schrei aus und wollte sich befreien, aber er hätte ebenso gut versuchen können … nun, sich aus dem Griff eines Hilfssheriffs in Oxford, Mississippi, zu befreien. Der kleine Singsang war verstummt, war durch entsetztes Schweigen abgelöst worden. In der Stille hörte Susannah mit ihren überempfindlichen Ohren deutlich, wie die Knochen in Sayres Handgelenk knirschten.
»LEBT ER?«, kreischte Mia in Sayres verblüfftes Gesicht. Speichel flog ihr von den Lippen. »SAG MIR, DU BLATTERNARBIGER HURENSOHN, OB MEIN SOHN LEBT!«
Scowther hob den kleinen Kerl hoch, bis er das Säuglingsgesicht vor seinem hatte. Die braunen Augen des Arztes und die blauen Augen des Babys begegneten sich. Und während der Kleine, dessen Glied trotzig aufragte, so in Scowthers Griff hing, sah Susannah deutlich das hochrote Muttermal an der rechten Ferse. Man hätte glauben können, die Ferse sei, unmittelbar bevor der kleine Kerl Mias Gebärmutter verlassen hatte, in Blut getaucht worden.
Statt dem Neugeborenen einen Klaps auf den Hintern zu geben, holte Scowther tief Luft und blies ihm mehrmals in die Augen. Mias kleiner Kerl blinzelte in komischer (und unbestreitbar menschlicher) Überraschung. Er holte ebenfalls Luft, hielt sie kurz an und brüllte dann los. Er mochte ein König aller Könige oder ein Zerstörer von Welten sein, aber er begann sein Leben wie unzählige Säuglinge vor ihm: Er kreischte empört. Bei seinem ersten Schrei brach Mia nun in Freudentränen aus. Die um die junge Mutter versammelten Höllengestalten waren Leibeigene des Scharlachroten Königs, aber das machte sie nicht immun gegen das, was sie soeben miterlebt hatten. Sie begannen zu lachen und zu applaudieren. Susannah ärgerte sich nicht wenig über sich selbst, als sie merkte, dass sie dabei mitmachte. Der Kleine sah sich sichtlich überrascht nach den Geräuschen um.
Mia, die tränennasse Wangen hatte und der klarer Rotz aus der Nase tropfte, streckte schluchzend die Arme aus. »Gebt ihn mir!«, flehte sie; so flehte Mia, niemands Tochter und eines Mutter. »Lasst ihn mich halten, ich bitte euch, lasst mich meinen Sohn halten! Lasst mich meinen kleinen Kerl halten! Lasst mich meinen Schatz in den Armen halten!«
Und das Baby wandte seinen Kopf dem Klang der Stimme seiner Mutter zu. Susannah hätte gesagt, dass so was unmöglich sei, aber sie hätte natürlich auch gesagt, dass es unmöglich sei, dass ein Säugling hellwach, mit einem Mund voller Zähne und einem Steifen auf die Welt kam. Trotzdem schien der Kleine in jeder anderen Beziehung völlig normal zu sein: rundlich und wohlgestaltet, menschlich und so süß. Er trug ein rotes Muttermal an der
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