Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
…«
»Vielleicht hat es Freunde«, sagte er, »die keine Angst vor Feuer haben. Im Stollen hat dieses Ding sich uns nicht mit anderen teilen wollen, weil es dachte, nicht teilen zu müssen. Jetzt ist es ihm vielleicht egal, vor allem, wenn es rachsüchtig sein sollte.«
»Solche Wesen können nicht denken. Bestimmt nicht.« Das ließ sich leichter glauben, weil sie jetzt draußen waren. Aber sie wusste, dass sie ihre Meinung vielleicht ändern würde, wenn die Schatten länger wurden und ineinander zu fließen begannen.
»Ich glaube nicht, dass wir es uns leisten können, das zu riskieren«, sagte Roland.
Wenn auch widerstrebend, gelangte sie zu der Überzeugung, dass er wohl irgendwie Recht hatte.
4
Zu ihrem Glück war das erste Stück des schmalen Weges, der sich ins Ödland davonschlängelte, fast eben, und als sie eine Steigung erreichten, erhob Roland keine Einwände dagegen, dass Susannah von dem Wägelchen, dem sie den Namen Ho Fats Luxustaxi gegeben hatte, abstieg und tapfer hinter ihm herhüpfte, bis sie den Hügelkamm erreicht hatten. Ganz allmählich blieb Schloss Discordia immer weiter hinter ihnen zurück. Roland marschierte weiter, als die Felsen den gekappten Schlossturm verdeckten; erst als auch der andere nicht mehr zu sehen war, zeigte er auf einen Felsüberhang neben dem Weg. »Hier bleiben wir über Nacht, wenn du keine Einwände hast.«
Sie hatte keine. Sie hatten genügend Knochen und Khakifetzen mitgebracht, um Feuer machen zu können, aber Susannah war klar, dass das Brennmaterial nicht lange reichen würde. Die Lumpen würden so schnell verbrennen wie Zeitungspapier, und die Knochen würden verbrannt sein, bevor die Zeiger von Rolands eleganter neuer Uhr (die er ihr fast ehrfürchtig gezeigt hatte) um Mitternacht zusammenkamen. Und morgen Abend würde es vermutlich gar kein Feuer geben und deshalb auch nur kaltes Essen direkt aus der Büchse. Ihr war bewusst, dass alles noch weit schlimmer hätte sein können – sie schätzte die Tagestemperatur auf sieben bis acht Grad, und immerhin hatten sie Lebensmittel –, aber sie hätte viel für einen Pullover und noch mehr für eine lange Unterhose gegeben.
»Bestimmt finden wir unterwegs anderes Zeug, das wir zum Feuermachen benutzen können«, sagte sie hoffnungsvoll, als das Feuer schließlich brannte (die brennenden Knochen stanken übel, und sie achteten darauf, auf der dem Wind zugekehrten Seite des Feuers zu sitzen). »Unkraut … Buschwerk … weitere Knochen … vielleicht sogar dürres Holz.«
»Das glaube ich nicht«, sagte er. »Nicht auf dieser Seite des Schlosses des Scharlachroten Königs. Nicht mal Teufelsgras, das sonst in Mittwelt praktisch überall wächst.«
»Das kannst du nicht wissen. Jedenfalls nicht sicher.« Sie konnte es nicht ertragen, an endlose Tage mit gleich bleibend niedrigen Temperaturen zu denken, während sie beide für nichts Extremeres als einen Frühlingstag im Central Park angezogen waren.
»Ich glaube, er hat dieses Land gemordet, als er Donnerschlag verdunkelt hat«, meinte Roland nachdenklich. »Wahrscheinlich war es sowieso nie sehr ergiebig, aber jetzt ist es völlig unfruchtbar. Aber wir sollten dankbar sein für das, was uns beschert ist.« Er streckte die Hand aus und berührte einen Pickel, der sich neben ihrer vollen Unterlippe gebildet hatte. »Vor hundert Jahren hätte dieser hier dunkler werden, sich ausbreiten und dir das Fleisch von den Knochen fressen können. Das Gehirn erfassen und dich vor deinem Tod in den Wahnsinn treiben können.«
»Krebs? Strahlenkrankheit?«
Roland zuckte die Achseln, als wäre das nicht weiter wichtig. »Irgendwo jenseits des Schlosses des Roten Königs erreichen wir vielleicht Grasland oder sogar wieder Wälder, obwohl das Gras, bis wir dort sind, unter einer Schneedecke liegen dürfte. Es ist die falsche Jahreszeit. Das spüre ich in der Luft, das merke ich daran, wie schnell der Tag dunkel wird.«
Susannah ächzte und wollte damit eine komische Wirkung erzielen, aber was herauskam, war ein ängstlicher, erschöpfter Laut, der so echt klang, dass er sie selbst erschrak. Oy stellte die Ohren auf und sah sich nach ihnen um. »Warum heiterst du mich nicht ein wenig auf, Roland?«
»Du musst die Wahrheit wissen«, sagte er. »Unter den jetzigen Voraussetzungen können wir ziemlich lange durchhalten, Susannah, aber das wird kein Spaß. Auf dem Wagen haben wir genügend Vorräte für einen Monat oder sogar länger, wenn wir sie strecken …
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