Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
komm.
Commala-come-Roland, bald ist die Reise getan.
Kapitel II
M ORDRED
1
Der Dan-Tete sah zu, wie der langhaarige Bursche, mit dem sie jetzt unterwegs waren, Susannah an der Schulter packte, um sie auf die in der Ferne tanzenden orangeroten Hobs aufmerksam zu machen. Mordred beobachtete, wie sie sich herumwarf und dabei einen der großen Revolver des Weißen Daddys zog. Für einen Augenblick zitterten die weit blickenden Glasaugen, die er in dem Haus in der Odd’s Lane gefunden hatte, in Mordreds Hand, so sehr feuerte er seine Schwarzdrossel-Mami an, den Künstler zu erschießen. Wie das Schuldbewusstsein sich in sie hineingefressen hätte! Gleich einer stumpfen Axtschneide, yar! Möglich war sogar, dass sie sich vor Entsetzen über ihre Tat den Revolverlauf in den Mund gesteckt und ein zweites Mal abgedrückt hätte, und wie es dem Alten Weißen Daddy wohl gefallen hätte, beim Aufwachen so was vorzufinden?
Ach, Kinder sind solche Träumer.
Natürlich passierte das alles nicht, aber immerhin hatte es noch viel mehr zu beobachten gegeben. Teilweise war es jedoch schwer zu sehen. Es war nicht nur die Aufregung, die das Fernglas zittern ließ. Obwohl er jetzt warm angezogen war, mehrere Schichten von Dandelos Humekleidung trug, fror er noch immer. Außer wenn ihm heiß war. Und in beiden Fällen, ob heiß oder kalt, zitterte er wie ein zahnloser alter Knacker in seiner Ofenecke. Dieser Zustand hatte sich stetig verschlimmert, seit er Joe Collins’ Haus verlassen hatte. Das Fieber wütete in seinem Körper wie ein Wirbelsturm. Mordred war nicht länger hongrig (Mordred hatte nämlich allen Appetit verloren), sondern Mordred war krank, krank, krank.
Tatsächlich fürchtete Mordred sogar, er könnte sterbenskrank sein.
Trotzdem beobachtete er Roland und seine Gefährten mit großem Interesse, und als das Feuer heller brannte, konnte er endlich sogar noch mehr erkennen. Er sah die Tür entstehen, auch wenn er die Symbole, mit denen sie beschriftet war, nicht lesen konnte. Er begriff, dass der Künstler sie irgendwie auf zeichnende Weise geschaffen hatte – was für ein gottähnliches Talent! Mordred sehnte sich danach, ihn sich nur auf die Chance hin einzuverleiben, dass dieses Talent übertragbar war! Das bezweifelte er zwar, wurde die spirituelle Seite des Kannibalismus doch immer gewaltig überschätzt, aber was konnte es schon groß schaden, sich selbst davon zu überzeugen?
Er beobachtete ihr Palaver. Er sah – und verstand auch – ihre Bitten an den Künstler und den Köter, ihr weinerliches Flehen
(komm mit, damit ich nicht allein gehen muss, komm schon, sei kein Spielverderber, seid beide keine Spielverderber, bu-hu-hu)
und genoss ihren Kummer und ihre Wut dann, nachdem Junge und Töle ihr beide diesen Wunsch abgeschlagen hatten; Mordred frohlockte darüber, obwohl er wusste, dass dies sein Vorhaben erschweren würde. (Zumindest ein wenig, denn was konnten ein stummer Junge und ein Billy-Bumbler schon gegen ihn ausrichten, wenn er seine Spinnengestalt annahm und zum Angriff überging.) Einen Augenblick lang befürchtete er schon, sie könnte in ihrem Zorn den Alten Weißen Daddy mit dessen eigener Waffe erschießen, und das wollte Mordred ganz entschieden nicht. Der Alte Weiße Daddy war für ihn bestimmt. Das hatte die Stimme vom Dunklen Turm herab ihm versprochen. Er war krank, gewiss, starb vielleicht sogar, aber der Alte Weiße Daddy war trotzdem noch dafür bestimmt, sein Mahl zu werden, nicht das der Schwarzdrossel-Mami. Die hätte das Fleisch gewiss verwesen lassen, ohne einen einzigen Bissen davon zu kosten! Aber sie erschoss ihn nicht. Stattdessen küsste sie ihn. Das wollte Mordred nicht sehen, weil er sich dabei nur noch schlechter fühlte, und ließ deshalb das Fernglas sinken. Er lag im Gras unter einer kleinen Gruppe von Erlen, zitterte, fror und schwitzte abwechselnd, bemühte sich, nicht zu kotzen (er hatte den ganzen gestrigen Tag mit Kotzen und Scheißen verbracht, so kam es ihm vor, bis seine Bauchmuskeln von der Anstrengung, solche Mengen in beide Richtungen befördern zu müssen, geschmerzt hatten und er nichts mehr heraufwürgen konnte als dicke schleimige Stränge, während aus seinem Hintern nichts mehr kam als braune Brühe und gewaltige hohle Furze), und als er schließlich wieder durchs Fernglas sah, konnte er gerade noch beobachten, wie das Heck des kleinen Elektrokarrens verschwand, als die Schwarzdrossel-Mami damit durch die Tür fuhr. Irgendetwas wirbelte um sie
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