Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
Stahl und nicht aus Eisenholz oder dem schwereren Geisterholz bestand. Umgeben war sie von einem grauen Rahmen, ebenfalls aus Stahl, aus dem rechts und links schenkeldicke isolierte Stromkabel herauskamen, die in der Mauer verschwanden. Von jenseits der Mauer drang ein dumpfes Dröhnen herüber, das Eddie irgendwie zu erkennen glaubte.
»Roland«, sagte er leise. »Erinnerst du dich noch an das Portal des Balkens, zu dem wir ganz am Anfang gekommen sind? Das war, noch bevor Jake zu unserer fröhlichen kleinen Schar gestoßen ist.«
Roland nickte. »Als wir die Kleinen Wächter erlegt haben. Shardiks Gefolge. Jedenfalls diejenigen, die überlebt hatten.«
Eddie nickte ebenfalls. »Ich habe mein Ohr an die Tür gelegt und daran gehorcht. ›Alles ist still in den Hallen der Toten‹, habe ich gedacht. ›Dies sind die Hallen der Toten, wo Spinnen ihre Netze bauen und die großen Schaltkreise einer nach dem anderen verstummen.‹«
Eigentlich hatte er das damals flüsternd gesprochen, aber Roland wunderte sich nicht darüber, dass Eddie sich daran nicht erinnerte: Er war damals hypnotisiert gewesen oder zumindest beinahe.
»Damals waren wir draußen«, sagte Eddie. »Jetzt sind wir drinnen.« Er zeigte auf die Tür nach Donnerschlag, dann fuhr er mit einem Finger den Verlauf der dicken Stromkabel nach. »Die Maschinerie, die Energie durch die hier schickt, klingt nicht sehr gesund. Wenn wir dieses Ding benutzen wollen, sollten wir’s lieber gleich tun, finde ich. Es könnte jederzeit für immer Schluss machen, und was täten wir dann?«
»Müssten den Pannenhilfsdienst rufen«, sagte Susannah verträumt.
»Von wegen. Wir wären erledigt … Wie nennst du das gleich wieder, Roland?«
»In heißer Darre begraben. ›Sehet die Säle des Verfalls.‹ Auch das hast du gesagt. Erinnerst du dich nicht?«
»Das habe ich gesagt? Richtig laut?«
»Aye.« Roland führte sie zu der Tür. Er streckte die Hand aus und berührte den Türknopf, zog sie dann aber wieder zurück.
»Heiß?«, fragte Jake.
Roland schüttelte den Kopf.
»Unter Strom?«, fragte Susannah.
Der Revolvermann schüttelte wieder den Kopf.
»Dann ab dafür«, sagte Eddie. »Lass jucken!«
Sie drängten sich dicht hinter Roland zusammen. Eddie trug Susannah wieder auf der Hüfte, und Jake hatte Oy aufgehoben. Der Bumbler hechelte, obwohl er weiter fröhlich zu grinsen schien, und seine Augen glänzten in ihren goldenen Ringen wie polierter Onyx.
»Was machen wir, wenn …« Wenn sie abgesperrt ist, hatte Jake ergänzen wollen, aber bevor er das konnte, drehte Roland den Knopf mit der rechten Hand (seinen verbleibenden Revolver hielt er in der Linken) und zog die Tür auf. Hinter der Wand begann die Maschinerie eine Stufe schneller zu laufen, wobei ihr Klang fast verzweifelt wurde. Jake glaubte, etwas Heißes riechen zu können: möglicherweise verschmorendes Isoliermaterial. Er war eben dabei, sich zu ermahnen, damit aufzuhören, sich Dinge einzubilden, als mehrere Deckenventilatoren ansprangen. Sie waren so laut wie zum Start rollende Jagdflugzeuge in einem Spielfilm über den Zweiten Weltkrieg. Alle zuckten sie zusammen. Susannah legte sogar eine Hand auf den Kopf, als wollte sie ihn vor herabfallenden Gegenständen schützen.
»Mir nach«, zischte Roland. »Schnell!« Er trat durch die Tür, ohne sich noch einmal umzusehen. In dem kurzen Augenblick, in dem er halb hindurch war, schien er in zwei Stücke zerbrochen zu sein. Jenseits des Revolvermanns konnte Jake eine riesige düstere Halle sehen, die weit größer als der Bereitstellungsraum war. Und ein Geflecht aus sich kreuzenden silbrigen Linien, die wie Pfeile aus reinem Licht wirkten.
»Los, Jake«, sagte Susannah. »Du als Nächster.«
Jake holte tief Luft und trat durch die Tür. Es gab keine Woge, die einen wie in der Höhle der Stimmen mitriss, und auch kein bimmelndes Glockenspiel. Kein Gefühl, flitzen zu gehen, nicht mal einen Augenblick lang. Stattdessen hatte er das scheußliche Gefühl, sein Inneres würde nach außen gekehrt, und dann befiel ihn die heftigste Übelkeit, die er in seinem ganzen Leben je verspürt hatte. Er sackte nach vorn, und sein rechtes Knie gab nach. Im nächsten Moment lag er auf beiden Knien. Oy fiel ihm aus den Armen. Jake nahm das kaum wahr. Er musste würgen und erbrach sich. Neben ihm lag Roland auf allen vieren und tat das Gleiche. Von irgendwoher kamen leise, regelmäßig tuckernde Geräusche, das beharrliche Ding-ding-ding-ding einer Glocke und
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