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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Weder die tödliche Kälte des Metalls noch die dünne, feurige Hitze der eingravierten Runen überraschte ihn.
    Er drehte den Knauf. Die Tür öffnete sich zu ihm, als er daran zog.
    Er hatte viele Dinge erwartet, doch dies entsprach keinem davon.
    Der Revolvermann sah hinein, erstarrte, stieß den ersten Entsetzensschrei seines Erwachsenenlebens aus und schlug die Tür zu. Sie hatte nichts, woran sie zuschlagen konnte, aber sie schlug dennoch zu, so daß die Meeresvögel kreischend von den Felsen aufstoben, auf denen sie sich niedergelassen hatten, um ihn zu beobachten.
     
     

5
     
    Er hatte die Erde von einer hohen, unmöglichen Entfernung am Himmel aus gesehen – Meilen hoch, wie es schien. Er hatte die Schatten von Wolken gesehen, die auf der Erdoberfläche lagen und wie Träume darüber hinwegschwebten. Er hatte gesehen, was ein Adler sehen mochte, könnte er dreimal so hoch wie jeder Adler fliegen.
    Durch diese Tür zu treten würde bedeuten, minutenlang schreiend in die Tiefe zu stürzen und sich am Ende tief in den Erdboden zu bohren.
    Nein, du hast mehr gesehen.
    Er dachte darüber nach, während er benommen und mit der verletzten Hand im Schoß vor der geschlossenen Tür im Sand saß. Die ersten schwachen Spuren waren jetzt schon oberhalb des Ellbogens. Die Infektion würde bald sein Herz erreicht haben, daran konnte kein Zweifel bestehen.
    Er hörte Corts Stimme in seinem Kopf.
    Hört mir zu, Maden. Hört um eures Lebens willen zu, denn eines Tages könnte es davon abhängen. Ihr seht niemals alles, was ihr seht. Ein Grund, weshalb sie euch zu mir schicken, ist der, daß ich euch zeige, alles zu sehen, was ihr nicht seht, wenn ihr etwas seht – was ihr nicht seht, wenn ihr Angst habt, wenn ihr kämpft, flieht oder fickt. Kein Mensch sieht alles, was er sieht, aber bis ihr Revolvermänner seid – das heißt, diejenigen unter euch, die nicht nach Westen gehen –, werdet ihr mit einem einzigen Blick mehr sehen als manche Männer in ihrem Leben. Und manches, was ihr bei diesem Blick nicht seht, werdet ihr hinterher im Auge eurer Erinnerung sehen – das heißt, wenn ihr lange genug lebt, daß ihr euch erinnern könnt. Denn der Unterschied zwischen Sehen und Nichtsehen kann der Unterschied zwischen Leben und Tod sein.
    Er hatte die Erde aus dieser gewaltigen Höhe gesehen (und das war irgendwie schwindelerregender und beunruhigender als die Vision von Wachstum gewesen, welche ihm kurz vor dem Ende seiner Zeit mit dem Mann in Schwarz zuteil geworden war, denn was er hier gesehen hatte, war keine Vision gewesen), und der geringe Rest seiner Aufmerksamkeit hatte die Tatsache registriert, daß es sich bei dem Land, das er gesehen hatte, weder um eine Wüste noch um ein Meer gehandelt hatte, sondern um einen grünen Ort unvorstellbarer Üppigkeit, mit Wasserflächen, die den Gedanken an einen Sumpf in ihm erweckten, aber…
    Wie wenig von deiner Aufmerksamkeit geblieben ist, spottete die Stimme von Cort gehässig. Du hast mehr gesehen!
    Ja.
    Er hatte Weiß gesehen.
    Weiße Ränder.
    Bravo, Roland! schrie Cort in seinem Verstand, und Roland schien einen Hieb der harten, schwieligen Hand zu spüren. Er zuckte zusammen.
    Er hatte durch ein Fenster gesehen.
    Der Revolvermann stand unter Anstrengung auf, streckte die Hand aus, spürte Kälte und brennende Linien dünner Hitze auf der Handfläche. Er machte die Tür wieder auf.
     
     

6
     
    Der Anblick, den er erwartet hatte – die Erde aus einer gräßlichen, unvorstellbaren Höhe – war verschwunden. Er sah Worte, die er nicht verstand. Er verstand sie fast; es war, als wären die Großbuchstaben verzerrt worden…
    Über den Worten war das Bild eines Gefährts ohne Pferde, eines Motorfahrzeugs, wie sie angeblich die Welt erfüllt hatten, bevor diese sich weitergedreht gehabt hatte. Plötzlich dachte er an die Worte, die Jake gesprochen hatte, als ihn der Revolvermann im Rasthaus hypnotisierte.
    Dieses Gefährt ohne Pferde, neben dem eine lachende Frau mit einer Pelzstola stand, konnte das sein, was Jake in dieser seltsamen anderen Welt überfahren hatte.
    Dies ist jene andere Welt, dachte der Revolvermann.
    Plötzlich geschah etwas mit dem Anblick…
    Er veränderte sich nicht; er bewegte sich. Der Revolvermann schwankte auf den Füßen, er verspürte Schwindel und einen Anflug von Übelkeit. Die Worte und das Bild senkten sich, und jetzt sah er einen Korridor mit einer doppelten Sitzreihe auf der anderen Seite. Einige waren frei, aber auf den meisten

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