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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Beherrschung zu verlieren. »Jetzt sieht hier alles ganz anders aus. Und die Geräusche … wie sie einem in den Kopf steigen …«
    Er wusste, was sie meinte. Zu ihrer Linken hing eine unbezeichnete Tür schief in ihren Angeln, und durch den Spalt am Oberrand drang das atonale Geklingel eines Flitzer-Glockenspiels: Tonfolgen, die grauenhaft und faszinierend zugleich waren. Dabei wehte sie durch den Türspalt ein stetiger Pesthauch an. Roland wusste, dass Susannah gleich vorschlagen wollte, sie sollten umkehren, solange sie noch konnten, und sich die Sache mit den Gängen unter dem Schloss vielleicht noch mal überlegen, deshalb sagte er schnell: »Komm, wir sehen nach, was dort vorn liegt. Wenigstens scheint’s etwas heller zu sein.«
    Als sie sich kurz darauf einer Kreuzung näherten, von der Tunnel und gekachelte Korridore nach allen Richtungen abzweigten, spürte er, wie Susannah sich ruckend aufsetzte. »Da!«, rief sie. »Dieser Trümmerhaufen! Um den sind wir herumgegangen! Wir sind um ihn herumgegangen, Roland, das weiß ich genau!«
    Ein Teil des Deckengewölbes war herabgestürzt und bildete mitten auf der Kreuzung ein wüstes Durcheinander aus zerbrochenen Kacheln, zersplittertem Glas, Kabelstücken und einfacher alter Erde. Am Rand dieses Trümmerhaufens waren Fährten zu erkennen.
    »Weiter!«, rief sie. »Geradeaus weiter! ›Ich glaube, das ist der, den sie Hauptstraße genannt haben‹, hat Ted gesagt, und Dinky war der gleichen Meinung. Dani Rostov hat gesagt, das sei vor langer Zeit gewesen, ungefähr zu der Zeit, als der Scharlachrote König irgendetwas getan haben soll, um Donnerschlag schließlich dunkel werden zu lassen. Auf diesem Weg soll damals vielen Leuten die Flucht gelungen sein. Nur dass sie dabei auch Spuren ihrer Gedanken zurückgelassen haben. Als ich sie gefragt habe, was für ein Gefühl das sei, hat sie’s damit verglichen, als ob man nach dem Ablaufen des Badewassers einen schmutzigen Seifenrand in der Wanne sieht. ›Nicht nett‹, hat sie gesagt. Fred hat den Korridor markiert, und dann sind wir den ganzen Weg in den Dogan zurückgegangen. Ich will weiß Gott nichts beschreien, aber ich glaube, wir haben’s jetzt wirklich geschafft.«
    Und das hatten sie – zumindest vorläufig. Achtzig Schritte nach dem Trümmerhaufen erreichten sie einen bogenförmigen Durchgang, hinter dem flackernde weiße Kugelleuchten an der Decke eines leicht abfallenden Korridors hingen. An der Wand bildeten vier Kreidestriche, die wegen der durch die Kachelfugen sickernden Feuchtigkeit bereits zu verlaufen begannen, die letzte Mitteilung der befreiten Brecher an sie:
     

     
    Hier rasteten sie einige Zeit und aßen Hände voll Rosinen aus einer Konservenbüchse. Selbst Oy knabberte ein paar, obwohl sein Verhalten deutlich zeigte, dass er sich nicht viel aus ihnen machte. Nachdem sie genug gegessen hatten und Roland die Büchse wieder in dem Lederbeutel verstaut hatte, fragte er Susannah: »Also, kann’s weitergehen?«
    »Ja. Am besten sofort, bevor ich meine … Großer Gott, Roland, was war das?«
    Hinter ihnen, vermutlich in einem der Korridore jenseits der Kreuzung mit dem Trümmerhaufen in der Mitte, war ein gedämpfter dumpfer Aufprall zu hören gewesen. Er hatte irgendwie flüssig geklungen, so als hätte ein Riese mit Gummistiefeln, die voller Wasser gelaufen waren, einen Schritt gemacht.
    »Keine Ahnung«, sagte er.
    Susannah sah sich unbehaglich über die Schulter um, konnte jedoch nur Schatten erkennen. Einige davon bewegten sich, aber das konnte auch daran liegen, dass manche der Lampen unruhig flackerten.
    Es konnte daran liegen.
    »Weißt du was«, sagte sie, »ich glaube, dass es eine gute Idee wäre, hier so schnell wie möglich abzuhauen.«
    »Ich glaube, du hast Recht«, sagte Roland, während er sich wie ein Sprinter, der in den Startblöcken hockte, auf ein Knie und die gespreizten Finger beider Hände stützte. Als Susannah dann wieder im Tragegeschirr saß, richtete er sich auf, ging an dem Kreidepfeil an der Wand vorbei und legte ein scharfes Gehtempo vor, das schon fast ein Traben war.
     
     

9
     
    Sie waren seit ungefähr einer Viertelstunde in diesem Halbtrab unterwegs, als sie auf ein Skelett in den Überresten einer verrottenden Militäruniform stießen. An dem Totenschädel hing noch ein Hautfetzen, aus dem lustlos ein schwarzes Büschel Haare spross. Die gebleckten Zähne grinsten, wie um sie in der Unterwelt willkommen zu heißen. Auf dem Boden neben dem weiß

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