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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mal an. Was mich jedoch betrifft, ich will’s nicht wissen.«
    Roland anscheinend schon. Er blätterte darin, suchte den letzten Vers. Die Seiten waren nicht nummeriert, aber das Ende war wegen der Leerzeilen nach dem mit XXXIV bezeichneten Vers leicht zu finden. Bevor er sich ans Lesen machen konnte, war wieder der dünne Schrei zu hören. Diesmal war der Wind vorübergehend eingeschlafen, sodass kein Zweifel daran möglich war, wo der Schrei herkam.
    »Im Keller unter uns ist jemand«, sagte Roland.
    »Ja, ich weiß. Und ich glaube, ich weiß auch, wer das ist.«
    Er nickte.
    Sie betrachtete ihn ruhig. »Alles passt irgendwie genau zusammen. Als wäre das Ganze ein Puzzlespiel, für das uns nur noch die letzten Teile fehlen.«
    Der Schrei erklang ein weiteres Mal, dünn und verzweifelt. Der Schrei eines Menschen, der dem Tode nahe war. Sie verließen das Bad und zogen ihre Revolver. Obwohl Susannah nicht annahm, dass sie diesmal Waffen brauchen würden.
     

5
     
    Der Käfer, der einen fröhlichen alten Kauz namens Joe Collins imitiert hatte, lag noch an derselben Stelle wie zuvor, nur Oy war einige Schritte von ihm zurückgewichen. Was Susannah nur allzu gut verstand. Dandelo begann zu stinken, und aus seinem zerfallenden Panzer sickerten jetzt kleine Mengen einer weißlichen Flüssigkeit. Trotzdem wies Roland den Bumbler an, weiter Wache zu halten.
    Der Schrei erklang wieder, als sie die Küche erreichten, und er war hier auch lauter, aber zunächst sahen sie keine Möglichkeit, in den Keller zu gelangen. Auf der Suche nach einer verborgenen Falltür bewegte Susannah sich langsam über das rissige, schmutzige Linoleum. Sie wollte Roland gerade melden, dass es keine gebe, da sagte er: »Hier. Hinter dem Eiskasten.«
    Der Kühlschrank war nun kein hochmoderner Amana mit Eisbereiter in der Tür mehr, sondern ein vierschrötiges, schmutziges Ding mit aufgesetztem Kühlaggregat in einem trommelförmigen Gehäuse. Ihre Mutter hatte einen Kühlschrank dieser Art gehabt, als Susannah noch ein kleines Mädchen gewesen war, das auf den Namen Odetta gehört hatte, aber ihre Mutter wäre lieber gestorben, als dass sie zugelassen hätte, dass ihr eigener auch nur ein Zehntel so schmutzig war. Ein Hundertstel.
    Roland schob das Ding mühelos zur Seite, weil Dandelo, dieses durchtriebene Ungeheuer, es auf eine kleine Plattform mit Rollen gestellt hatte. Susannah bezweifelte, dass er oft Besuch bekommen hatte, nicht hier draußen am äußersten Rand von Endwelt, aber er war darauf vorbereitet gewesen, sein Geheimnis zu wahren, falls doch jemand vorbeikam. Und sie nahm an, dass gelegentlich tatsächlich irgendwelche Folken vorbeigekommen waren. Sie vermutete allerdings, dass für viele, wenn nicht für alle, die kleine Hütte in der Odd Lane die Endstation gewesen war.
    Eine schmale, steile Treppe führte nach unten. Roland tastete innen neben dem Türrahmen herum und fand schließlich den Lichtschalter. Sofort flammten zwei nackte Glühbirnen auf – eine auf halber Treppe, die andere unten im Keller. Wie als Antwort auf das Licht ertönte wieder der Schrei. Er war voller Angst und Schmerz, enthielt aber keine Wörter. Der Klang ließ Susannah erzittern.
    »Komm ans untere Ende der Treppe, wer immer du bist!«, rief Roland.
    Keine Reaktion von unten. Draußen frischte der Wind wieder auf, und eine heranheulende Bö trieb mit solcher Gewalt Schnee gegen das Haus, dass er wie Sand klang.
    »Komm hervor, damit wir dich sehen können, sonst lassen wir dich, wo du bist!«, rief Roland.
    Der Kellerbewohner kam aber nicht ins kümmerliche Licht, sondern stieß erneut einen Schrei aus, der voller Schmerz und Entsetzen und – wie Susannah befürchtete – Wahnsinn war.
    Roland sah sich nach ihr um. Sie nickte ihm zu und flüsterte: »Geh du voraus. Ich gebe dir Feuerschutz, wenn’s nötig ist.«
    »Pass auf die Stufen auf, damit du nicht fällst«, sagte er ebenso leise.
    Sie nickte noch einmal und machte dann seine ungeduldig kreisende Handbewegung nach: Los, los, weiter!
    Der Revolvermann musste lächeln. Gleich darauf stieg er die Treppe hinunter, hielt dabei den Lauf seiner Waffe ans rechte Schlüsselbein gelegt und sah für einen Augenblick Jake Chambers derart ähnlich, dass Susannah hätte weinen können.
     
     

6
     
    Der Keller war ein Labyrinth aus Kisten und Fässern und in Stoff gehüllten länglichen Gegenständen, die an Haken von der Decke herabhingen. Susannah wollte lieber nicht wissen, was diese hängenden

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