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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Song! Wo haben Sie den gehört?«
    »Oh, Aaron kennt sie alle«, sagte Tower. »Er ist schon auf der Bleeker Street rumgehangen, bevor Bob Dylan mehr als einen offenen G-Akkord auf seiner Hohner tuten konnte. Jedenfalls wenn man ihm glaubt.«
    »Das ist ein altes Spiritual«, sagte Aaron zu Jake, und dann zu Tower: »Du stehst übrigens im Schach, Dicker.«
    »Aber nicht lange«, sagte Tower. Er verschob seinen Läufer. Aaron schlug ihn augenblicklich. Tower murmelte etwas. Jake fand, daß es sich verdächtig nach Pißkopf anhörte.
    »Die Antwort ist also ein Löwe«, sagte Jake.
    Aaron schüttelte den Kopf. »Nur die halbe Antwort. Samsons Rätsel besteht aus zwei Teilen, mein Freund. Die andere Hälfte der Antwort ist Honig. Kapiert?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Okay, dann versuch es mit dem.« Aaron machte einen Moment die Augen zu und rezitierte:
     
    »Was bewegt sich und kommt nicht fort,
    Hat einen Mund und spricht kein Wort,
    Hat ein Bett und kann doch nicht schlafen,
    Und birgt für manchen einen sicheren Hafen?«
     
    »Klugscheißer«, knurrte Tower Aaron an.
    Jake dachte darüber nach, dann schüttelte er den Kopf. Er hätte sich länger den Kopf zerbrechen können – er fand diese Rätsel interessant und faszinierend zugleich –, aber er hatte das dringende Gefühl, daß er von hier fort mußte, weil er heute vormittag noch andere Dinge auf der Second Avenue zu erledigen hatte.
    »Ich gebe auf.«
    »Auf keinen Fall«, sagte Aaron. »Das macht man bei modernen Rätseln. Aber ein richtiges Rätsel ist kein Witz, Junge – es ist eine Aufgabe. Denk darüber nach. Wenn du nicht dahinterkommst, kannst du es ja als Grund benützen, ein andermal wieder herzukommen. Und falls du noch einen Grund brauchst, der Dicke hier macht wirklich einen guten Kaffee.«
    »Okay«, sagte Jake. »Danke. Mach ich.«
    Aber als er ging, überkam ihn eine Gewißheit: Er würde das Manhattan-Restaurant für geistige Nahrung nie wieder betreten.
     
     

15
     
    Jake ging langsam die Second Avenue entlang und hielt seine Neuerwerbungen in der linken Hand. Zuerst versuchte er, über das Rätsel nachzudenken – was hatte denn ein Bett und konnte doch nicht schlafen? –, aber diese Frage wurde nach und nach von einem zunehmenden Gefühl der Vorahnung verdrängt. Seine Sinne schienen geschärfter als jemals zuvor in seinem Leben; er sah Milliarden tanzende Fünkchen auf dem Gehweg, roch mit jedem Atemzug tausend vermischte Gerüche und schien auch andere Geräusche, heimliche Geräusche, hinter allem wahrzunehmen, was ihm zu Gehör kam. Er fragte sich, ob sich Hunde vor Gewittern oder Erdbeben so fühlten, und war fast sicher, daß es so sein mußte. Aber der Eindruck, daß das bevorstehende Ereignis nicht schlecht war, sondern gut, daß es das schreckliche Erlebnis ausgleichen würde, das ihm vor drei Wochen widerfahren war, nahm weiter zu.
    Und als er sich jetzt der Stelle näherte, wo der Kurs korrigiert werden würde, überkam ihn wieder das Wissen im voraus.
    Ein Penner wird mich nach einer milden Gabe fragen, und ich gebe ihm das Wechselgeld, das mir Mr. Tower gegeben hat. Und dann kommt ein Plattenladen. Die Tür steht offen, damit frische Luft hinein kann, und wenn ich vorbeigehe, höre ich ein Stück der Stones. Und ich werde mein Ebenbild in vielen Spiegeln sehen.
    Der Verkehr auf der Second Avenue war spärlich. Taxis hupten und sprangen von Spur zu Spur, während der Frühlingssonnenschein auf ihren Windschutzscheiben und dem hellgelben Lack funkelte. Während er darauf wartete, daß die Ampel umschaltete, sah Jake den Bettler an der gegenüberliegenden Ecke von Second und Fifty-second. Dieser saß an der Backsteinmauer eines kleinen Restaurants, und als Jake näher kam, konnte er den Namen des Restaurants lesen: Mamas Mampf-Mampf – Chew Chew Mama’s.
    Tschuff-tschuff, dachte Jake. Und das ist die Wahrheit.
    »Hast ‘n paar Cent?« fragte der Penner müde, und Jake warf ihm das Kleingeld aus der Buchhandlung in den Schoß, ohne sich auch nur umzudrehen. Jetzt konnte er pünktlich die Rolling Stones hören:
     
    »I see a red door and I want to paint it black,
    No colours anymore, I want them to turn black…«
     
    Als er vorüberging, sah er – gleichfalls ohne Überraschung –, daß der Name des Schallplattenladen Tower of Power lautete.
    Es schien, als wären Türme heute im Sonderangebot.
    Jake ging weiter, und die Straßenschilder schwebten wie in der Benommenheit eines Traums an ihm vorbei. Zwischen

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