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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Knien vorwärts und griff nach dem Schlüssel, der in dem Klettendickicht lag. Seine einfache Form schien er schon in Träumen gesehen zu haben:
     

     
    Er dachte: Die kleine S-Form am Ende – das ist das Geheimnis.
    Als er den Schlüssel in die Hand nahm, schwollen die Stimmen zu einem harmonischen Aufschrei des Triumphs an. Jakes eigener Schrei ging in der Stimme dieses Chors unter. Er sah den Schlüssel weiß in seinen Händen aufblitzen und verspürte einen gewaltigen Energiestoß seinen Arm entlanglaufen. Es war, als hätte er ein Starkstromkabel umklammert, aber er verspürte keine Schmerzen.
    Er schlug Charlie Tschuff-Tschuff auf und verwahrte den Schlüssel darinnen. Dann richtete er den Blick auf die Rose, und ihm wurde klar, daß sie der wahre Schlüssel war – der Schlüssel für alles. Er kroch darauf zu, und sein Gesicht war eine flammende Korona aus Licht, die Augen lodernde Brunnen blauen Feuers.
    Die Rose wuchs aus einem Büschel fremden, purpurnen Grases.
    Als Jake sich diesem Büschel näherte, tat sich die Rose vor seinen Augen auf. Sie enthüllte einen dunklen, scharlachroten Brennofen, Blütenblatt um heimliches Blütenblatt, und jedes brannte von einer eigenen geheimen Wut erfüllt. In seinem ganzen Leben hatte er noch niemals etwas so Intensives und durch und durch vor Leben Strotzendes gesehen.
    Als er nun die schmutzigen Hände diesem Wunder entgegenstreckte, fingen die Stimmen an, seinen eigenen Namen zu singen… und Todesangst stahl sich ins Zentrum seines Herzens. Sie war kalt wie Eis und schwer wie Stein.
    Etwas stimmte nicht. Er konnte eine pulsierende Dissonanz spüren, wie ein häßlicher Kratzer auf einem kostbaren Kunstwerk oder ein tödliches Fieber, das unter der kalten Haut der Stirn eines Kranken schwelt.
    Es war etwas wie ein Wurm. Ein bohrender Wurm. Und ein Schemen. Einer, der gerade hinter der nächsten Straßenbiegung lauert.
    Dann öffnete sich das Herz der Rose für ihn und enthüllte grelles gelbes Licht, und jegliches Denken wurde von einer Woge des Staunens fortgespült. Jake dachte einen Moment, er sähe lediglich Pollen, die vom selben übernatürlichen Leuchten durchdrungen waren, das jeden Gegenstand auf diesem einsamen Brachland erfüllte – er dachte es, obwohl er noch nie von Pollen in einer Rose gehört hatte. Er beugte sich darüber und stellte fest, daß der konzentrierte Kreis gelben Leuchtens überhaupt keine Pollen waren. Es war eine Sonne. Eine gewaltige Glut, die in der Mitte dieser Rose wuchs, welche dem purpurnen Gras entsprang.
    Die Angst stellte sich wieder ein, aber nun war sie regelrechtes Entsetzen. Es ist richtig, dachte er. Alles hier ist richtig, aber es könnte schiefgehen – ich glaube, es hat sogar schon angefangen schiefzugehen. Ich darf soviel von diesem Falschen empfinden, wie ich ertragen kann… aber was ist es? Und was kann ich tun?
    Es war so etwas wie ein Wurm.
    Er konnte spüren, daß dieser wie ein krankes und verschmutztes Herz schlug, im Widerstreit mit der erhabenen Schönheit der Rose lag, schrille Obszönitäten in den Chor der Stimmen schrie, der ihn so sehr beruhigt und erfüllt hatte.
    Er beugte sich noch dichter über die Rose und stellte fest, daß deren Kern nicht nur aus einer Sonne bestand, sondern aus vielen… möglicherweise aus allen Sonnen, die in dieser wilden und doch empfindlichen Hülle gefangen waren.
    Aber es ist falsch. Es ist alles in Gefahr.
    Er wußte, es würde mit größter Wahrscheinlichkeit seinen Tod bedeuten, wenn er diesen glühenden Mikrokosmos berührte, war aber außerstande, es zu unterlassen, und daher streckte Jake die Hand aus. Weder Neugier noch Angst lösten diese Geste aus; nur das gewaltige, unausgesprochene Bedürfnis, die Rose zu beschützen.
     
     

18
     
    Als er wieder zu sich kam, stellte er zuerst nur fest, daß eine lange Zeitspanne verstrichen war und er teuflische Kopfschmerzen hatte.
    Was ist passiert? Bin ich überfallen worden?
    Er drehte sich herum und richtete sich auf. Ein weiterer Stachel des Schmerzes bohrte sich durch seinen Kopf. Er hob eine Hand zur linken Schläfe und zog die Finger wieder weg; sie waren klebrig von Blut. Er sah nach unten und erblickte einen Backstein, der aus dem Unkraut herausragte. Eine Ecke war dunkel rot.
    Wenn er scharfkantig gewesen wäre, wäre ich jetzt wahrscheinlich tot oder im Koma.
    Er betrachtete sein Handgelenk und stellte überrascht fest, daß er die Armbanduhr noch trug. Es war eine Seiko, nicht besonders teuer, aber in

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