Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
rotgoldenen Äpfel zu Flüssigkeit zerstampft hatte. Zwei Dutzend Rollen hatten sie unter eine drehbare Stahlwalze befördert, in der sich Löcher befanden. Die Äpfel waren zuerst zusammengedrückt und dann buchstäblich zerquetscht worden; der Saft floß einen schrägen Trog hinab, ein Gitter fing Kerne und Fruchtfleisch auf.
Jetzt war sein Kopf diese Obstpresse, und sein Gehirn waren die Äpfel. Bald würde es zerquetscht werden, wie die Äpfel unter der Stahlwalze zerquetscht worden waren, und dann würde ihn gesegnete Dunkelheit verschlucken.
»Andrew! Heb den Kopf und sieh mich an.«
Er konnte es nicht… und selbst wenn er gekonnt hätte, hätte er es nicht gewollt. Es war besser, einfach hier zu liegen und auf die Dunkelheit zu warten. Eigentlich sollte er sowieso tot sein; hatte ihm der teuflische Bengel nicht eine Kugel in den Kopf gejagt?
»Die ist nicht einmal in die Nähe deines Gehirns gekommen, und du stirbst nicht, du Pferdearsch. Du hast nur Kopfschmerzen. Du wirst aber sterben, wenn du weiterhin hier herumliegst und dich in deinem eigenen Blut wälzt… und, Andrew, ich werde dafür sorgen, daß das, was du momentan empfindest, sich, verglichen mit deinem Tod, wie der reine Segen anfühlt.«
Nicht die Drohungen bewogen den Mann auf dem Boden, den Kopf zu heben, sondern die Tatsache, daß der Besitzer dieser durchdringenden, zischenden Stimme seine Gedanken gelesen zu haben schien. Er hob langsam den Kopf, und die Schmerzen waren unerträglich – schwere Gegenstände schienen in dem Knochengehäuse herumzupurzeln, in dem sich der Rest seines Denkvermögens befand, und dabei blutige Spuren durch sein Gehirn zu ziehen. Ein langgezogenes, sirupartiges Stöhnen entrang sich ihm. Er hatte ein flatterndes, kitzelndes Gefühl an der rechten Wange, als würden dort ein Dutzend Fliegen im Blut krabbeln. Er wollte sie wegscheuchen, wußte aber, er brauchte beide Hände dazu, sich zu stützen.
Die Gestalt, die auf der anderen Seite des Raums bei der Schleuse zur Küche stand, sah geisterhaft, unwirklich aus. Das lag teilweise daran, daß die Deckenbeleuchtung immer noch flackerte, teilweise weil er den Neuankömmling nur mit einem Auge sah (er konnte sich nicht erinnern, was mit dem anderen passiert war, und wollte es auch nicht), aber größtenteils daran, daß das Geschöpf geisterhaft und unwirklich war. Es sah wie ein Mensch aus… aber der Mann, der einmal Andrew Quick gewesen war, hatte so eine Ahnung, daß es ganz und gar kein Mensch war.
Der Fremde vor ihm trug eine kurze, dunkle Jacke mit einem Gürtel an der Taille, verblaßte Jeans und alte, staubige Stiefel – die Stiefel eines Landarbeiters oder Rangers oder…
»Oder eines Revolvermanns, Andrew?« fragte der Fremde und kicherte.
Der Ticktackmann betrachtete die Gestalt unter der Tür verzweifelt und versuchte, das Gesicht zu erkennen, aber die kurze Jacke hatte eine Kapuze, die hochgeklappt war. Das Antlitz des Fremden blieb im Schatten verborgen.
Die Sirene stellte ihr Heulen ein. Die Alarmlichter blieben eingeschaltet, hörten aber wenigstens auf zu blinken.
»Na also«, sagte der Fremde mit seiner flüsternden, durchdringenden Stimme. »Wenigstens können wir uns jetzt denken hören.«
»Wer bist du?« fragte der Ticktackmann. Er bewegte sich wieder, worauf erneut Gewichte durch seinen Schädel polterten und frische Bahnen in sein Gehirn rissen. So schrecklich dieses Gefühl war, das gräßliche Kribbeln der Fliegen auf der rechten Wange war schlimmer.
»Ich bin ein Mann mit vielen Namen, Partner«, sagte der Mann aus der Dunkelheit unter seiner Kapuze, und obwohl seine Stimme ernst war, hörte Ticktack Gelächter dicht unter der Oberfläche brodeln. »Manche nennen mich Jimmy, manche nennen mich Timmy; manche nennen mich Handy, manche nennen mich Dandy. Wie man mich ruft, das ist mir egal; Hauptsache, man ruft mich nicht zu spät zum Mahl.«
Die Gestalt unter der Tür warf den Kopf zurück, und ihr Gelächter zauberte Gänsehaut auf Arme und Rücken des verwundeten Ticktackmannes; es hörte sich an wie das Heulen eines Wolfs.
»Man hat mich den Zeitlosen Fremden genannt«, sagte der Mann. Er ging auf Ticktack zu, worauf dieser am Boden stöhnte und versuchte, von ihm weg zu kriechen. »Man hat mich auch Merlin oder Maerlyn genannt – aber wen kümmert das, denn de r bin ich nie gewesen, auch wenn ich es nie bestritten habe. Manchmal nennt man mich den Magier… oder den Zauberer… aber ich hoffe, wir können uns auf eine
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