Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
nach drei Wochen Anwesenheit wussten sie das alle drei. Ihre Antworten lagen draußen auf der Schräge, die sie bislang aber nur flüchtig begutachtet hatten. Auf Rolands Anordnung.
Der Wind wehte böig, und einen Moment lang konnten sie den leisen, grummelnden, heulenden Ton der Schwachstelle hören.
»Ich hasse dieses Geräusch«, sagte Alain.
Cuthbert, der diesen Abend ungewöhnlich schweigsam und nach innen gekehrt war, nickte und sagte nur: »Aye.« Inzwischen sagten sie es alle, ganz zu schweigen von das tust du und das bin ich und das ist es. Alain hatte den Verdacht, sie würden Hambry noch auf den Zungen haben, wenn sie dessen Staub schon längst von den Stiefeln gewischt hatten.
Hinter ihnen, aus der Tür des Schlafhauses, drang ein weniger unangenehmes Geräusch – das Gurren von Tauben. Und dann, von der anderen Seite des Schlafhauses, ein drittes, auf das er und Cuthbert unbewusst gewartet hatten, während sie den Sonnenuntergang betrachteten: Pferdehufe. Rusher.
Roland kam anmutig um die Ecke geritten, und da geschah etwas, was Alain seltsam bedeutungsvoll vorkam… wie ein Omen. Das Flattern von Schwingen ertönte, und plötzlich saß ein Vogel auf Rolands Schulter.
Er zuckte nicht zusammen, sondern drehte sich nur um. Er ritt bis zu dem Querholz an der Veranda, wo er im Sattel sitzen blieb und die Hand ausstreckte. »Heil«, sagte er leise, worauf die Taube auf seine Handfläche hüpfte. An einem der Beine war ihr eine Kapsel festgebunden worden. Roland entfernte sie, öffnete sie und holte einen winzigen Papierstreifen heraus, der fest zusammengerollt war. Mit der anderen Hand hielt er die Taube.
»Heil«, sagte Alain und streckte seinerseits die Hand aus. Die Taube flog zu ihm. Als Roland abstieg, nahm Alain die Taube mit ins Schlafhaus, wo unter dem offenen Fenster die Käfige standen. Er öffnete den mittleren und streckte die Hand aus. Die Taube, die gerade eingetroffen war, lief hinein; die Taube wiederum, die zuvor im Käfig gewesen war, hüpfte heraus auf seine Handfläche. Alain machte die Käfigtür zu, verriegelte sie, durchquerte das Zimmer und hob das Kissen von Berts Pritsche. Darunter befand sich ein Stoffumschlag mit einer Anzahl leerer Papierstreifen und einem winzigen Füller. Er nahm einen der Streifen und den Füller, der über einen kleinen Vorrat an Tinte verfügte und nicht eingetaucht werden musste. Er ging wieder auf die Veranda hinaus. Roland und Cuthbert studierten gerade den aufgerollten Papierstreifen, den die Taube aus Gilead gebracht hatte. Eine Reihe winziger geometrischer Figuren befand sich darauf:
»Was steht da?«, fragte Alain. Der Kode war ziemlich einfach, aber er konnte ihn sich nicht merken oder gar aus dem Stegreif lesen, so wie Roland und Bert es fast von Anfang an gekonnt hatten. Alains Talente – seine Fähigkeiten als Fährtensucher, sein einfacher Zugang zur Gabe der Fühlungnahme – lagen auf anderen Gebieten.
»›Farson rückt nach Osten vor‹«, las Cuthbert. »›Streitkräfte teilen sich, eine große, eine kleine Gruppe. Seht ihr etwas Ungewöhnliches?‹« Er sah Roland fast beleidigt an. »Etwas Ungewöhnliches, was soll das bedeuten?«
Roland schüttelte den Kopf. Er wusste es nicht. Und er bezweifelte, ob es die Männer – zu denen mit Sicherheit sein Vater gehörte – wussten, die die Nachricht geschickt hatten.
Alain gab Cuthbert den Streifen und den Füller. Bert streichelte mit einem Finger den Kopf der leise gurrenden Taube. Sie spreizte die Schwingen, als könnte sie es kaum erwarten, nach Westen zu fliegen.
»Was soll ich schreiben?«, fragte Cuthbert. »Dasselbe?«
Roland nickte.
»Aber wir haben etwas Ungewöhnliches gesehen!«, sagte Alain. »Und wir wissen, dass hier etwas nicht stimmt! Die Pferde… und auf der kleinen Ranch im Süden… ich kann mich nicht an den Namen erinnern…«
Cuthbert konnte es. »Rocking H.«
»Aye, Rocking H. Ochsen gibt es dort. Ochsen! Meine Götter, ich habe nie welche gesehen, außer in Bilderbüchern!«
Roland sah beunruhigt drein. »Weiß jemand, dass du sie gesehen hast?«
Alain zuckte ungeduldig die Achseln. »Ich glaube nicht. Es waren Treiber da – drei, vielleicht vier…«
»Vier, aye«, sagte Cuthbert leise.
»… aber die haben uns nicht beachtet. Auch wenn wir etwas sehen, glauben sie, wir sehen es nicht.«
»Und so muss es bleiben.« Roland ließ den Blick über sie schweifen, aber sein Gesicht hatte einen abwesenden Ausdruck, so als wäre er mit Gedanken
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