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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ganz woanders. Er drehte sich um und betrachtete den Sonnenuntergang, und da sah Alain etwas an seinem Hemdkragen. Er entfernte es mit einer derart schnellen und behänden Bewegung, dass nicht einmal Roland selbst es bemerkte. Bert hätte das nicht gekonnt, dachte Alain nicht ohne Stolz.
    »Aye, aber…«
    »Dieselbe Botschaft«, sagte Roland. Er setzte sich auf die oberste Stufe und blickte wieder zum Abendrot im Westen. »Geduld, Mr. Richard Stockworth und Mr. Arthur Heath. Wir wissen bestimmte Dinge und vermuten bestimmte andere. Aber würde John Farson den weiten Weg auf sich nehmen, nur um sich Pferde zu beschaffen? Ich glaube nicht. Ich bin mir da nicht so sicher; Pferde sind zwar wertvoll, aye, das sind sie… aber ich bin mir da wirklich nicht sicher. Also warten wir.«
    »Schon gut, schon gut, dieselbe Botschaft.« Cuthbert glättete den Papierstreifen auf dem Verandageländer und kritzelte eine kurze Folge von Symbolen darauf. Diese Botschaft nun konnte Alain lesen; er hatte seit ihrer Ankunft in Hambry dieselbe Abfolge von Zeichen schon des Öfteren gesehen. »Nachricht erhalten. Uns geht es gut. Diesmal nichts zu melden.«
    Die Nachricht wurde in die Kapsel gesteckt und am Bein der Taube befestigt. Alain ging die Stufen hinunter, stellte sich neben Rusher (der immer noch geduldig darauf wartete, abgesattelt zu werden) und hielt den Vogel in den verblassenden Sonnenuntergang. »Heil!«
    Die Taube verschwand flügelschlagend. Sie sahen sie nur einen Augenblick, ein dunkler Umriss am zunehmend dunkleren Himmel.
    Roland blieb sitzen und sah ihr nach. Er hatte immer noch den verträumten Gesichtsausdruck. Alain fragte sich, ob Roland heute Abend die richtige Entscheidung getroffen hatte. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie einen derartigen Gedanken gehabt. Und hätte nie damit gerechnet, je einen solchen zu hegen.
    »Roland?«
    »Hm?« Wie ein Mann, der halb aus tiefem Schlaf erwachte.
    »Ich sattle ihn ab, wenn du willst.« Er nickte zu Rusher. »Und striegle ihn.«
    Lange Zeit keine Antwort. Alain wollte gerade noch einmal fragen, als Roland sagte: »Nein. Ich mache es. In ein, zwei Minuten.« Und betrachtete weiterhin den Sonnenuntergang.
    Alain ging die Stufen hinauf und setzte sich in seinen Schaukelstuhl. Auch Bert hatte seinen Platz auf der Kiste wieder eingenommen. Sie saßen jetzt hinter Roland, und Cuthbert sah Alain mit hochgezogenen Brauen an. Er zeigte auf Roland, dann sah er wieder Alain an.
    Alain reichte ihm das, was er von Rolands Kragen geholt hatte. Zwar war es so fein, dass man es im gegenwärtigen Licht kaum erkennen konnte, aber Cuthbert hatte die Augen eines Revolvermanns, und er nahm es mühelos entgegen, ohne herumzutasten.
    Es war ein langes Haar von der Farbe gesponnenen Goldes. Er entnahm Berts Gesichtsausdruck, dass dieser wusste, von wessen Kopf es stammte. Seit ihrer Ankunft in Hambry hatten sie nur ein Mädchen mit langen blonden Haaren kennen gelernt. Die beiden Jungen sahen einander in die Augen. In Berts Augen sah Alain Missfallen und Gelächter zu gleichen Teilen.
    Cuthbert Allgood hob den Zeigefinger an die Schläfe und ahmte das Abdrücken eines Revolvers nach.
    Alain nickte.
    Roland saß mit dem Rücken zu ihnen auf der Treppe und sah mit verträumten Augen zum erlöschenden Sonnenuntergang.

Kapitel 8

U NTER DEM H AUSIERERMOND
     
1
     
    Die Stadt Ritzy, fast vierhundert Meilen westlich von Mejis, war alles andere als prunkvoll. Roy Depape erreichte sie, drei Nächte bevor der Hausierermond – manche nannten ihn auch den Spätsommermond – voll wurde, und verließ sie einen Tag danach wieder.
    Ritzy war in Wirklichkeit ein armseliges kleines Bergarbeiterdorf am Osthang des Vi-Castis-Gebirges, etwa fünfzig Meilen von der Vi-Castis-Kluft entfernt. Die Stadt besaß nur eine Straße; die Spuren eisenbeschlagener Räder hatten sich hineingefressen, und etwa drei Tage nach Beginn der Herbststürme würde sie sich in eine einzige Schlammpfütze verwandeln. Es gab den Gemischtwarenladen namens »Bär und Schildkröte«, wo den Bergarbeitern allerdings das Einkaufen auf Anordnung der Vi Castis Company verboten war, und ein Geschäft der Bergwerksgesellschaft, wo niemand außer Minenarbeitern auch nur auf die Idee kam einzukaufen; es gab eine Stadthalle mit integriertem Gefängnis, vor der ein Windrad stand, das auch als Galgen benutzt wurde; es gab sechs gut gehende Bars, jede schäbiger, schrecklicher und gefährlicher als die vorhergehende.
    Ritzy glich einem

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