Der Durst der Toten
getrunken hatte, als sie eigentlich vertrug.
Und auch sehr viel mehr, als sie früher, wenn sie mit ihrer alten Clique ausgegangen war, konsumiert hatte. Deren Gesellschaft mied sie, seit sie Max kannte. Und seit sie wußte, daß sie ohne ihn nicht mehr leben konnte!
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hatte die Liebe sie bei einem Bummel durch den Botanischen Garten getroffen. Vivien liebte es, in Duft- und Landschaftskompositionen zu schwelgen, je exotischer, desto besser. So hatte sie Max getroffen, der ihre Vorliebe zu teilen schien.
Er war überhaupt vom ersten Moment an ganz anders gewesen als die Kerle, mit denen sie sonst um die Häuser gezogen war, ganz anders als die unreifen Möchtegern-Don Juans, die immer nur auf das eine aus waren - und das auch noch möglichst am ersten Abend .
Nein, so geduldig und rücksichtsvoll, wie Max sich ihr gegenüber bislang gezeigt hatte, war noch kein Verehrer mit Vivien umgesprungen. Max bedrängte sie nicht. Max zelebrierte jeden noch so kleinen Fortschritt beim Vertiefen ihrer Beziehung. Natürlich hatten sie einander schon geküßt, und natürlich hatte sich seine Hand auch schon das ein oder andere Mal unter ihre Bluse verirrt, um beim Küssen zärtlich an ihren Brüsten zu reiben - aber zum letzten (und eigentlichen) war es noch nicht zwischen ihnen gekommen.
Auch das war eine ganz neue Erfahrung für Vivien: Inzwischen konnte sie es kaum noch erwarten, mit ihm zu schlafen, und für diesen Abend, diese Nacht, hatte sie sich vorgenommen, Farbe zu bekennen. Sie wollte sich Max zum Geschenk machen und ihm auf diese Weise für die wundervollen Wochen, die hinter ihnen lagen, danken. Sie war noch jung, erst Anfang zwanzig, aber seit sie Max kannte, machte sie sich Gedanken um die Zukunft. Um Heirat, Familie und Kinder .
Jodie würde mich für komplett übergeschnappt erklären, dachte sie. Umgekehrt hätte ich es auch getan - früher.
An ihre Freundin hatte sie den ganzen Abend über bis zu diesem Moment keinen Gedanken mehr verschwendet. In Max' Nähe dachte sie eigentlich immer nur an Max und sonnte sich in dem Wohlgefühl, das er bei ihr auslöste. Diesem fast magischen Zauber ...
... den der gepflegte Schwips, den sie sich angetrunken hatte, noch verstärkte.
Den ganzen Abend knisterte es zwischen ihnen. Heftiger als je zuvor.
Zwischendurch meinte Vivien einen besorgten, fast ängstlichen Zug in Max' Gesicht zu erkennen. Wie lange hatte er schon keine Frau mehr gehabt? Verhielt er sich deshalb so galant? Fürchtete er sich, ihren Ansprüchen nicht gerecht werden zu können, sie zu enttäuschen?
»Warum ist ein Mann wie du nicht schon längst wieder verheiratet?«
Sie wußte, daß er schon eine Ehe hinter sich hatte. Eine Ehe, die an der Untreue seiner Partnerin zerbrochen war. Auch diese Erfahrung schien zu seiner Zurückhaltung beigetragen zu haben. Er mochte auch Angst vor eigener Enttäuschung haben.
»Ich hatte die Richtige noch nicht gefunden.«
»Hatte?«
»Hatte!«
»Heißt das ...?«
»Das heißt es. Ich weiß nicht genau, was du für mich empfindest, aber für mich kann ich sagen, daß keine andere Frau mehr Platz in meinem Herzen hat als du!«
Sie hätte losheulen können.
Sie hätte sich ihm auf der Stelle, auf dem Tisch hingeben können. Doch die Vernunft und der Hang nach Bequemlichkeit obsiegten.
»Laß uns gehen. Heim zu mir. Laß mich dir zeigen, was mein Herz für dich empfindet . Komm!« Sie zog ihn vom Stuhl hoch, und Max konnte gerade noch ein paar Scheine auf den Tisch streuen, um die Zeche zu bezahlen.
Ein Taxi brachte sie zu den Victoria Barracks. Als die Tür von Vi-viens Wohnung hinter ihnen ins Schloß fiel, geschah alles weitere wie selbstverständlich. Gegenseitig schälten sie sich aus den Kleidern. Zerrten sich jedes störende Textil regelrecht vom Leib.
Auf seinen starken Armen trug Max seine Angebetete ins Schlafzimmer. Sie dirigierte ihn und gab spätestens damit zu verstehen, daß sie es auch wollte.
Aber kaum hatte er sie auf dem Bett abgelegt, kam es zu einer Störung, die sowohl Vivien als auch - in weit stärkerem Maße sogar -Max noch einmal aus dem rauschartigen Verlangen und der hingebungsbereiten Stimmung herausriß.
Erst schellte die Türglocke und dann, nur Sekunden später, hämmerte jemand mit den Fäusten gegen die Wohnungstür.
Inzwischen war es Mitternacht.
Vivien fluchte enttäuscht.
Als sie sich aber aus dem Bett schwingen wollte, hielt Max sie zurück. »Laß mich das erledigen, bitte. Wer
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