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Der Durst der Toten

Der Durst der Toten

Titel: Der Durst der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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entehrt würde sie sich fühlen und am meisten darunter leiden, daß sie es hatte geschehen lassen, aus freien Stücken.
    Wortlos verließ Max das Schlafzimmer.
    Wie ein alter Mann schlurfte er zur Wohnungstür.
    Wie ein uralter Mann.
    Gebeugt trat er auf den Korridor und zog die Tür hinter sich zu. Die Tote schielte zu ihm empor. Aber das Blut war bereits in ihren Adern gestockt und damit wertlos.
    Max wankte an ihr vorbei auf den Aufzug zu. Es war Nacht. Finstere Nacht jenseits der Fenster und Wände.
    Aber am finstersten jedoch war die Nacht in ihm. Wo jeder Stern und jeder Quell von Kraft erloschen waren.
    Unbeachtet verließ er das Apartmenthaus. Es war heller Morgen, als er an seinem Ziel anlangte, dem Ort, den er gemieden hatte, seit er ihm entronnen war.
    Doch nun holte ihn die Anziehungskraft seines Grabes wieder ein. Nun, da der Sinn seines zweiten, seines geliehenen Lebens erfüllt war .
    Der Zugang zur Gruft wurde wieder von einer steinernen Platte verschlossen. Max heulte auf wie ein getretener Hund, als er sich vergeblich bemühte, sie wegzuschieben.
    Schritte und Rufe lenkten ihn ab.
    Eine Gestalt kam mit Drohgebärden auf ihn zu. »Verschwinde, Penner, sonst ...!«
    Ein Mann in Arbeitskleidung hetzte einen der Pfade, die zur Gruft von Max' Familie führten, herauf. »Wenn du nicht sofort verschwindest, rufe ich die Polizei!«
    Der Mann schwang eine Grabschaufel. Max kehrte der Gruft den Rücken und stieg die drei Stufen hinab. Er zitterte. Er wußte, daß sein Ende nicht mehr aufzuhalten war. Und trotzdem . lockte noch immer das Leben, das fremde Leben, das ihm entgegeneilte .
    Der Mann hatte keine Chance. Er rechnete nicht einmal mit einer Gegenwehr.
    Max lief ihm geduckt entgegen. Reumütig und als laste ein Zentnergewicht auf seinen Schultern.
    »Du wolltest was, lausiger Penner?« Der Mann, offenbar ein Friedhofsbediensteter, hob grimmig den Spaten.
    Max nahm die Stelle, die er erreichen wollte, genau aufs Korn. Er wußte, daß er nur einen Versuch hatte.
    Der Spaten polterte zu Boden. Max und der Mann folgten.
    Bald darauf wurde es still zwischen den Gräbern. Der Nektar der Toten vermochte das ersterbende Feuer in Max nicht noch einmal auflodern zu lassen.
    Es war vorbei.
    Anderenorts hingegen begann das, was er in Bewegung gesetzt hatte.
    Viviens Alptraum.
    Max hatte kein Bedauern für sie übrig. Obwohl ihr Leben schlimmer werden würde als sein Tod .
    *
    Wie aus Talg schien die Haut des Toten, in ihrer Färbung als auch in ihrer Konsistenz. Die schmale Skalpellklinge drang ein wie in Wachs. Wässrige Flüssigkeit quoll aus dem Schnitt entlang des Brustbeins, Blut folgte, zäh, weil es längst schon kalt war wie das eines Fisches.
    Dr. Darren Secada setzte weitere Schnitte, rasch und routiniert. Dabei kommentierte er jede seiner Bewegungen und Beobachtungen. Das kleine Diktiergerät, das in der Brusttasche seines Kittels steckte, zeichnete seine Worte auf.
    Schließlich hatte der Pathologe die Haut des Leichnams so zu-rechtgeschnitten, daß er den Brustkorb quasi schälen und die Rip-penbögen freilegen konnte.
    Ehe er sich an die tiefergehende Untersuchung machte, sah Darren auf und hinüber zum nächsten chromglänzenden Tisch, auf dem ein zweiter Toter lag. Im Gegensatz zu seinem »Patienten« kannten sie die Identität dieser anderen Leiche: Val Kubert, 56 Jahre alt, Friedhofsbediensteter auf Harmony Hill - Ein bitterer Geschmack drängte in Darrens Mund.
    Harmony Hill .
    Vor zwei Jahren hatten sie seine Mutter dort beerdigt. Und seine Besuche an ihrem Grab wurden immer seltener. Anfangs war er fast täglich dort gewesen, nach einigen Monaten mußte er sich zwingen, wenigstens einmal in der Woche hinzugehen, und schließlich - Wann hatte er zum letzten Mal an ihrem Grab gestanden, ihr Blumen gebracht? Vorigen Monat, oder war es -?
    Nein! unterbrach Darren sich in Gedanken. Es war letzten Monat gewesen, vor drei oder vier Wochen, keinesfalls länger. Aber er wußte, daß er sich selbst belog .
    Einen Moment lang roch und schmeckte er den schalen Dunst des Todes, der sich in den Räumen der Pathologie allen Desinfektionsmitteln zum Trotz unaustreibbar eingenistet hatte und an den Darren sich im Laufe der Zeit schon so sehr gewöhnt hatte, daß er ihn nicht mehr wirklich wahrnahm. Nur in besonders unangenehmen Augenblicken gelang es dieser ganz eigenen Atmosphäre noch, ihn gefangenzunehmen.
    Er streifte das Gefühl ab wie Spinnweben - aber ein klein wenig davon blieb an und in ihm hängen,

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