Der Durst nach Blut
Sohn nur streifte und auf der Kerze verweilte. Als wünschte sie sich, es würden dem Licht tatsächlich schützende Kräfte inne-wohnen .
Sie schloß die Tür so wie Nehru die Augen, auf die Wahrheit in den Worten seiner Mutter vertrauend.
Wie er es in den Nächten vorher hatte tun können.
Doch nicht heute nacht.
Nach einer Weile schlug Nehru die Augen auf, als der Schlaf nicht wie sonst gekommen war. Oder war er etwa gekommen und hatte ihn einmal mehr hinausgespien in jenes Reich, in dem finstere Dämonen lebten und nur darauf warteten, daß Bruder Schlaf ihnen neue Opfer zuführte?
Nehru sah sich um.
Er befand sich nach wie vor in der kleinen Kammer, in der kaum Platz war für sein Bettchen und die doch groß genug war, um dunklen Schatten Raum zu geben - genug Raum sogar, daß sich hinter den Schatten noch etwas verbergen konnte .
Hilfesuchend sah Nehru zu der Kerze, deren Licht ihm jetzt auf einmal schwächer schien als zuvor. Als würden die Schatten von ih-rem Schein zehren. Stets dort, wo Licht und Dunkelheit eins wurden, entdeckte Nehru wogende Bewegung, die näher kam - und erstarb, wenn er allzu lange hinschaute.
Und doch konnte er sich nicht täuschen.
Das Licht der duftenden Kerze reichte jetzt kaum noch von der Schale bis an sein Kissen heran. Schwärze verschlang das Licht, und Schwärze würde auch ihn fressen.
Gleich.
Jetzt!
Mit einem winzigen Schrei rettete sich Nehru ins Wachsein.
Oder nicht?
Das Zimmer war nicht wie sonst, wenn er nach einem Traum die Augen öffnete.
Es war - nicht leer.
Er war - nicht allein.
Der Fremde schien Nehru so groß, als würde er die Kammer zum Bersten ausfüllen. Obwohl der Dunkelgekleidete doch nur dastand, nichts tat, ihn nur ansah.
Anstarrte.
Kühle Nachtluft drang durch das offenstehende Fenster, doch nicht nur der Zug ließ Nehru frösteln.
»Du bist für Großes ausersehen, mein Kleiner«, sagte der Mann mit der seltsam geformten Narbe im Gesicht.
»Wer ...?« brachte Nehru hervor, doch seine Worte verwehten un-gehört.
»Komm mit mir.«
»Nein«, sagte Nehru und ließ sich von dem Fremden doch bereitwillig in die Arme schließen.
Als der Junge wenig später die verzweifelten Rufe seiner Mutter hörte, schwebte er längst schon im Schatten mächtiger Schwingen durch die Nacht.
Seine eigenen Schreie erstickten hinter angstversiegelten Lippen.
*
Die Arme ausgebreitet wie einst der Gekreuzigte trat Bahid dem Mob entgegen und bot ihm die Brust offen dar.
»Was ist?« fragte er. »Tut, weswegen ihr gekommen seid.«
»Es gibt euch tatsächlich«, murmelte einer der Männer. »Die Brut der Nacht.«
»Brut der Nacht!« rief Bahid leutselig. »Wir sind auch am Tage unter euch, ihr Narren.«
»Beni!«
Der Schrei zitterte durch den Keller, als einer der Männer vorstürzte und neben einer der Leichen in die Knie ging. Neben jener, die Boram vorhin als Braut erkannt hatte. Und es war nicht schwer zu erraten, daß der Mann, der da ihren baumelnden Kopf in die Hände nahm, ihr Zukünftiger gewesen wäre.
Doch er hielt sich nicht lange mit Trauerklagen auf. Dafür mochte später Zeit sein. Jetzt war die Zeit für Sühne und Vergeltung!
Wie ein Kastenteufel sprang der junge Mann auf und kam mit glühendem Blick und verzerrtem Gesicht auf die Vampire zu.
»Ihr habt mein Leben zerstört«, fuhr er auf.
Bahid zuckte lächelnd die Schultern und wies in die Runde.
»Ich habe eine Menge Leben zerstört.«
Boram riß ihn zurück. »Schweig endlich, du Wahnsinniger.« Und an den jungen Bräutigam gewandt, der den Pflock stoßbereit in zitternden Händen hielt, sagte er: »Sieh mich an.«
Die Befehlsgewalt seiner Worte zermalmte den Willen des Menschen. Widerstrebend hob er den Blick und verlor sich in Borams Augen.
»Leg den Pflock weg.«
Auch das tat der Hypnotisierte.
Doch dann wendete sich das Blatt. Ein vielkehliger Schrei brandete durch den Raum.
Boram drehte sich um, doch es war ihm unmöglich, jeden einzelnen in seinen Bann zu schlagen. Nicht jetzt, da Angst und Wut sich in diesen Menschen zu einer explosiven Mixtur vermengte, die sie vorwärtstrieb.
Zudem kostete ihn Bahid wertvolle Konzentration, denn der lebensmüde Bruder goß mit seinem irren Lachen weiteres Öl ins Feuer des Zorns der Meute.
Wie ein Mann kam gut die Hälfte der Schar über Boram, schlug und trat nach ihm, bis sie ihn zu Boden gerungen hatten. Aus den Augenwinkeln bekam er mit, daß der Rest mit Bahid leichteres Spiel hatte. Er gab sich wehrlos in ihre
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