Der Eden Effekt
sich leicht drehte. »Das ist die Zufahrtsstraße.«
Skip beugte sich wieder zum Monitor vor und blickte auf das grünliche Bild. Die Technologie versetzte ihn immer wieder in Erstaunen. Die kleine Drohne hatte eine Flügelspanne von zwei Metern. Das unbemannte Erkundungsflugzeug bestand aus Verbundfasern und war leicht und stabil. Es konnte sechs Stunden fliegen, bevor die Batterie des Elektromotors leer war. Auf der Unterseite des Flugzeugs befand sich eine Infrarotkamera, die über eine Antenne an einen Empfänger sendete, der die digitalen Daten entschlüsselte und sie auf dem Monitor darstellte.
»Da.« Skip reckte den Hals. »Das ist das Firmengelände.«
Als die Drohne sich dem Ziel näherte, begann Skips Herz zu klopfen. »Nehmen Sie das auf?«
»Klar.« Als das Bild wackelte, bewegte Q wieder den Joystick. »Es scheint dort etwas windig zu sein. Später können wir uns die Bilder in aller Ruhe ansehen und die Details studieren. Doch jetzt brauchen wir erst einmal eine Nahaufnahme, um zu sehen, wo sich was auf dem Gelände befindet. Glauben Sie, sie ist in diesem Palast?«
»Keine Ahnung. Durch das Fernrohr haben wir gesehen, dass sich die meisten Aktivitäten dahinter abspielen. Oben in den Wohnungen. Man sieht kaum jemanden, der das Herrschaftshaus betritt oder verlässt.«
»Ich würde vorschlagen, wir überprüfen zuerst die Umzäunung, um zu sehen, ob es nicht doch irgendwelche Schwachstellen gibt. Anschließend kümmern wir uns um die Gebäude.«
»Ja.« Skip zog an seinem Bart. »Wir müssen jeden Quadratzentimeter des Komplexes erforschen. Bevor ich da reingehe, möchte ich Bescheid wissen.«
»Eine gute Idee, denn das, was ich bisher gesehen habe ... Nun, es entspricht alles dem neuesten Stand der Technik.« Das Bild zeigte zwei bewaffnete Männer, die den Zaun abschritten. »Und das ist stinknormales Wachpersonal. Wir verbessern die Qualität der Bilder später, aber ich sehe jetzt schon, dass sie Headsets tragen.«
In der nächsten Stunde vergaß Skip die Rückenschmerzen und verfolgte den Flug des kleinen Flugzeugs, das in der Dunkelheit über Kasperskis Firmenkomplex kreuzte. Und viel von dem, was die Kamera ihm zeigte, gefiel ihm überhaupt nicht.
Zwei Tage lang folgte Mark Schott auf seiner Ducati Harry Raus BMW. In den vielen Stunden, die er allein auf dem Motorrad und mit dem Helm auf dem Kopf verbrachte, wuchsen seine Sorgen beständig.
ECSITE hat Anika entführt. Sie ist jetzt Kasperskis Gefangene. Und wo würde er sie gefangen halten?
In Oberau.
Und was kann ich tun, um ihr zu helfen?
Nichts.
Während sie die Alpen durchquerten, brachte Rau ihm das Motorradfahren bei. Auf schneebedeckte Pässe folgten grüne Täler voller Haarnadelkurven.
Sie übernachteten in kleinen Hotels. Mark bezahlte immer bar, und allmählich schrumpfte seine Geldreserve. An einer Tankstelle hatte er sich ein Notizheft gekauft. Wenn sie sich abends trennten, nahm er es aus der Tasche und machte sich mit dem Stift, den er einer Kellnerin stibitzt hatte, Notizen.
Während Mark lernte, wie man Gasgriff, Gangschaltung und Bremsen richtig betätigte, fügte er Österreich, Liechtenstein und die Schweiz der Liste der Länder hinzu, die er schon bereist hatte.
Aber was konnte er tun, um Anika zu helfen? Der Gedanke an ihre Gefangenschaft weckte ihn mitten in der Nacht. Auch am Tage quälte ihn die Sorge um sie und lenkte ihn von der spektakulären Aussicht ab.
Freude? Ja, auch dieses Gefühl gab es für kurze Momente. Doch nach jedem unbeschwerten Augenblick spürte er noch stärkere Schuldgefühle. Er selbst hatte wahnsinnige Angst, aber er war frei. Und Anika ...?
Rau war nach München geflogen und hatte das Motorrad, das er fuhr, dort gemietet. An diesem Abend wollte er zurückkehren, die Maschine zurückgeben und nach Hause fliegen.
Ab dann war Mark auf sich allein gestellt.
Und was sollte er dann tun?
»Der Trick, die Kurven ordentlich zu nehmen«, sagte Harry, als sie eine kurze Pause machten, »ist die Konzentration auf das Ziel. Auf trockenem Asphalt legt sich die Ducati so weit in die Kurve, dass die Fußrasten schleifen, ehe die Reifen die Haftung verlieren. Anfänger fahren oft zu schnell in eine Kurve. Sie geraten in Panik, bevor sie den Scheitelpunkt erreichen. Ihr Herzschlag beschleunigt sich, und ihr Adrenalinspiegel steigt. Der in Panik geratene Motorradfahrer konzentriert sich auf die unmittelbare Gefahr, und die droht normalerweise vom Rand der Kurve. Und genau dahin, mein Freund,
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