Der Eden Effekt
erfahren, dass er eine Ducati fuhr, dass er sich das Haar gefärbt hatte und jetzt einen ungepflegten Bart trug.
Was sollte er tun, wenn er die nächsten Tage überlebte? Sich das Haar rot tönen? Dann gab es nicht mehr viele Alternativen, es sei denn, er färbte sich das Haar grün, piercte seine Ohren und Augenbrauen und tauschte die Motorradjacke aus Neopren gegen eine schwarze Lederjacke mit Nieten.
»Verdammt! Mark, alter Junge, du hast nur eine Chance. Du musst auf das verdammte Gelände gelangen und Anika da herausholen.«
Er stolperte über die holprige Wiese und nahm schemenhaft einen weiß gestrichenen Zaun zu seiner Rechten wahr. War das der Zaun, der den Firmenkomplex zur Straße hin begrenzte? Er erinnerte sich nicht.
Warum habe ich nicht besser aufgepasst?
Weil er bei seiner Ankunft nach dem langen Flug erschöpft gewesen war. Als er dann in Stephanies Jaguar gesessen hatte, war er aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen.
Mit dem nächsten Schritt trat er ins Leere und fiel ins nasse Gras. Er rollte in einen Graben, und Wasser spritzte hoch.
Um sich tretend und spuckend klammerte er sich an den Rand des Grabens, rutschte mit den Händen an dem nassen Gras ab und glitt zurück ins Wasser.
»Verdammt«, murmelte Mark und kroch mühsam die Böschung wieder hinauf. Er richtete sich auf und strich sich mit den Händen das Wasser aus der Kleidung.
Nass bis auf die Knochen stand Mark Schott fröstelnd in der Dunkelheit, schaute auf den schwarzen, wolkenverhangenen Himmel und fragte sich: »Was kann heute Nacht noch alles schiefgehen?«
Mark spürte eine Bewegung, und sofort darauf schlang jemand einen Arm fest um seine Kehle, als wollte er ihn erwürgen. Dann trat der Angreifer ihm die Beine weg, und als er zu Boden stürzte, bekam er für einen Moment keine Luft mehr.
Er wollte gerade um Hilfe schreien, als er etwas Spitzes am Hals spürte. Aus den Augenwinkeln sah er eine funkelnde Klinge. Vor Angst wie gelähmt öffnete Mark den Mund, doch es drang kein Laut aus seiner Kehle.
»Was kann noch schiefgehen?«, flüsterte ihm eine Stimme ins Ohr. »Michail Kasperski könnte Sie hier draußen finden. Oder Sie könnten mir in die Arme laufen.«
Wäre die Situation eine andere gewesen, hätte der Raum mit den vielen Monitoren, den schematischen Darstellungen und Landkarten ihr Interesse geweckt. Anika war so aufgewühlt, dass das Team, das an dem großen Tisch in der Mitte saß, für sie kaum von Interesse war. Sie erinnerte sich auch nur noch vage an die Namen der Anwesenden: Jacques Terblanch, Wu Liu, Nanda Hashahurti ... Wer die beiden anderen waren, hatte sie vergessen.
Jetzt starrten sie alle an und warteten darauf, dass sie mit ihnen sprach und Stephanies Anweisungen befolgte.
Stattdessen durchlebte Anika immer wieder die letzten Minuten ihres Treffens mit Michail Kasperski. Sein eiskalter, bedrohlicher Blick, der sie durchbohrte und in dem sich grenzenlose Wut spiegelte, hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt. An einen Tisch gekettet ... von einer Horde Männer vergewaltigt ... immer und immer wieder ...
Obwohl es in dem Raum nicht kalt war, fröstelte Anika. Blinzelnd kämpfte sie gegen die Tränen an.
Dad wird kommen und mich befreien ...
Doch Red French ahnte nicht einmal, wo sie war.
Und selbst wenn er es wüsste, wie zum Teufel hätte er sie aus diesem Hochsicherheitskomplex herausholen können?
»Können wir Ihnen helfen?« Die leise Stimme riss Anika aus ihren Gedanken.
»Ich hätte cleverer sein sollen«, murmelte sie leise zu sich selbst.
»Das trifft auf uns alle zu«, hörte sie Terblanch sagen.
Anika zwang sich, die Erinnerung an das Treffen mit Kasperski zu verdrängen und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Sie schaute in Terblanchs freundliche Augen und bemerkte dann das leichte Nicken der älteren Frau, die ihr einen besorgten Blick zuwarf. »Verzeihung. Wie war noch gleich Ihr Name?«
»Francine Inoui«, sagte die Frau mit einem starken Akzent. »Wir wissen, wie Sie sich fühlen. Auf die eine oder andere Weise hat er uns alle in der Hand.«
»Das ist seine Methode«, erklärte ihr der Mann mit dem kantigen Gesicht, der einen ausgeprägten russischen Akzent hatte. Als er lächelte, wurde ein Goldzahn sichtbar. »Solange ich hier arbeite, geht es meiner Frau und meinen Kindern gut. Wenn ich keine Leistung zeige ...« Er zuckte mit den Schultern. »... wird die Polizei informiert, und Menschen, die ich liebe, wandern ins Gefängnis.«
»Und Sie?«, fragte Anika
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