Der Eden Effekt
drehen.
»Wenn Sie schreien«, sagte die Stimme, »bringe ich Sie auf die harte Tour zum Schweigen.«
Mark nickte und fragte sich, wie lange er den Urin noch halten konnte.
Als der Fremde auch das Klebeband von seinem Mund abriss, blieben Schnurrbarthaare daran hängen.
»Werden Sie mich umbringen?«, fragte Mark mit heiserer Stimme.
»Das kommt darauf an.«
Mark blinzelte in das grelle Licht.
»Wo arbeiten Sie?«
Mark fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »An der University of Wyoming.«
»Als was?«
»Professor der Anthropologie.«
»Sorry, Mr Meyer. Einen Professor mit diesem Namen gibt es dort nicht.«
»Hm? Ich heiße Schott. Mark Schott.«
»Das steht aber nicht in Ihrem Reisepass.«
»Den Pass hat mir jemand gegeben.«
»Wer?«
Mark dachte angestrengt nach, wem die barsche Stimme gehören könnte, doch er konnte sie niemandem zuordnen. »Sie nannte sich Michelle Lee. Es war in Venedig. Nachdem sie mich in Garmisch-Partenkirchen entführt hatte. Wir haben uns da versteckt. Ich meine, ich war ihr Gefangener. Ich bin geflohen. Sie ... sie hatte eine Spritze. In einem Restaurant bin ich durch den Hinterausgang geflohen. Und ich habe die Ducati gestohlen.« Mark war den Tränen nahe. »Hören Sie, ich gebe Ihnen alles, was Sie haben wollen.«
»Wo ist Ihre Frau?«
»Michelle?«
»Ja.«
»Ich weiß es nicht. Als ich sie zum letzten Mal gesehen habe, saß sie in dem Restaurant und wartete aufs Essen.«
»Michelle ist Ihre Frau?«
»Nur zur Tarnung. Wir ... wir haben so getan, als hätten wir gerade geheiratet. Wir glaubten, Kasperskis Leute würden in Venedig nicht nach einem Brautpaar Ausschau halten.«
»Und Denise?«
Wer ist dieser Mann? »Sie ist in Laramie. Hören Sie, sie weiß nichts von alledem. Es ist alles meine Schuld.«
»Warum schleichen Sie mitten in der Nacht um das Gelände herum?«
Er kniff die Augen zusammen und starrte wütend in das grelle Licht. »Ich wollte herausfinden, wie ich da hereinkomme, okay?«
»Warum?«
Mark schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf. »Es spielt keine Rolle.«
»Wollten Sie Kasperski um Gnade bitten? Versuchen, Ihren alten Job zurückzubekommen? Hatten Sie vielleicht auch darauf gehofft, dass Stephanie Ihnen keine Kugel in den Kopf schießen würde?«
Verdammt! Stephanie! Noch ein Albtraum! »Wäre ich dann nicht gleich zum Tor gefahren und hätte um Einlass gebeten, wenn es so wäre?« Mark schluckte. »Wer sind Sie?«
»Vielleicht sage ich es Ihnen, wenn Sie meine Frage beantwortet haben. Warum sind Sie um das Gebäude herumgeschlichen?«
»Ich wollte versuchen, jemanden da herauszuholen.«
»Wen?«
Mark ließ den Kopf auf die Brust sinken. »Sie können mich mal kreuzweise. Machen Sie schon! Erschießen Sie mich! Ich hab die Schnauze voll. Und ich bin sicher, dass ich diese Sache sowieso nicht überleben werde.«
Hatte er das wirklich gesagt? Mark schluckte und wartete auf einen Faustschlag oder eine Kugel oder ...
Von rechts näherte sich die Hand eines Mannes und zeigte ihm ein Foto. »Wer ist das?«
Mark spähte auf das Bild. »Das ist Michelle Lee. Die Frau, die mich in Venedig gefangen gehalten hat.«
»Und wo haben Sie sie getroffen?«
»In einer Villa in den Dolomiten. Einen Tag, nachdem ich in Garmisch entführt wurde. Michelle brachte mich da raus, als Kasperskis Leute die Villa angriffen. Sie behauptete, sie sei von der CIA, aber später habe ich herausgefunden, dass es nicht stimmt.«
»Wissen Sie jetzt, für wen sie arbeitet?«
»Nein. Da war noch ein Mann.« Mark erzählte ihm von dem Treffen, das er beobachtet hatte, und der Übergabe der Spritze. »Ich weiß nicht, wozu sie bestimmt war, aber sicherlich nicht dazu, um mich vor irgendeiner Krankheit zu schützen.«
»Warum sind Sie nicht in Mailand zum amerikanischen Konsulat gegangen?«
»Mir wurde gesagt, dass ich als Drogendealer gesucht werde, der von der italienischen Villa aus seine Geschäfte betreibt. Wahrscheinlich hätten sie das eher geglaubt als die abstruse Geschichte, dass ich Professor bin und vor Kasperski davonlaufe.« Mark fragte sich, ob er auch den Rest erzählen sollte. Vielleicht blieb er dann am Leben.
»Ich habe aber alles aufgeschrieben und ans Konsulat geschickt. Es ist zu spät, um noch etwas daran zu ändern. Meine Notizen müssten heute Nachmittag dort abgegeben worden sein.«
»Wo?«
»In Wien«, log Mark, um Zeit zu schinden. »Das amerikanische Außenministerium hat die Sachen bereits. Und sie erklären
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