Der Eden Effekt
verloren?
Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Ernte? Was passiert, wenn einige Fischbestände zusammenbrechen?
Und dann geht es um Energie. Von der einfachen Energie wie zum Beispiel lokal vorhandenem Brennholz bis zum Vertrieb von Lkw-Kraftstoff. Kann das Stromversorgungsnetz aufrechterhalten werden? Wie viele Tonnen Rohöl können verarbeitet werden?
Dann der medizinische Aspekt: Besteht eine hinreichende Infrastruktur, um eine große Epidemie zu bekämpfen? Wie wirkt sich eine Seuche in Südostasien auf die Nahrungsmittelproduktion aus? Wie groß ist der Panikfaktor? Führt er zu demografischen Verschiebungen? Welche Menschen sind betroffen, und wohin gehen sie?
Doch das sind nur Beispiele für die Art der Daten, mit denen wir arbeiten müssen.«
Pierre LeFevre trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Warum sollten wir in Anbetracht all dieser Inferenzstatistiken – ein anderes Wort für Vermutungen – diesem Modell vertrauen?«
Mark nickte. »Ein guter Statistiker testet immer die Nullhypothese – und zwar daraufhin, dass sie keine mathematisch signifikanten Auswirkungen hat. Meine Nullhypothese war immer, dass die Welt, egal, welche Variablen ich benutze, weiterhin so funktionieren wird wie bisher. Das wäre der Normalzustand, wenn Sie so wollen. Das Leben geht weiter. Das Wirtschaftswachstum hält an, Bauern bestellen ihre Felder, Bergleute fördern Kohle und Erz, und Fabrikanten stellen Produkte her. Es steht Strom zur Verfügung, und unsere Autos fahren. Das wollte ich beweisen.«
»Und?«, fragte Stephanie, die sich zum ersten Mal zu Wort meldete.
Mark ignorierte sie und konzentrierte sich auf sein neues Team. »Gleichgültig, welche Variablen wir einsetzen, die Resultate bleiben dieselben: Die Nullhypothese – der Normalzustand – wird zurückgewiesen.«
Mark lächelte die Anwesenden, die sich auf ihren Stühlen aufrichteten, grimmig an. »Genau so ist es. Und wenn wir die Nullhypothese nicht beweisen können, steuern wir unvermeidbar auf eine globale Katastrophe zu. Hunger, Krieg, Epidemien.«
»Und am Ende steht der Zusammenbruch«, sagte Pierre nachdenklich. »Und dem sollen wir vertrauen? Obwohl Sie alles mit Ihrer Steinaxt bearbeitet haben?«
Mark nickte. »Wenn Sie zu weit vom Wesentlichen abweichen und sich erlauben, sich in komplizierte mathematische Berechnungen zu verstricken, werden Sie die Schlüsselvariablen vergessen: Gibt es genügend Nahrungsmittel für die Menschen? Sind Ihre Kinder in Sicherheit? Brennt das Licht? Wird morgen alles so sein wie heute? Wenn wir eine dieser Fragen auf lange Sicht mit nein beantworten müssen, werden die Dinge chaotisch und sehr unangenehm werden.«
Mark griff in die Tasche und zog einen USB-Stick heraus, auf dem Anikas Dissertation gespeichert war. Er hatte wohlweislich ihren Namen durch seinen ersetzt. »Ich möchte, dass Sie sich das hier herunterladen, es lesen und sich intensiv damit beschäftigen. Dann beginnen wir damit, die Variablen zu konkretisieren. Betrachten Sie das hier als ersten Entwurf. Er ist noch grob und muss weiterentwickelt, angepasst und bearbeitet werden. Aber wenn wir keine Fehler bei den Grundannahmen finden, werden wir die Steinaxt schwingen. Der Baum wird fallen. Und wenn das geschieht, werden viele Menschen sterben.«
Als Anika French im Konferenzraum des Außenministeriums Platz nahm, sah Maureen die bleierne Müdigkeit in den Gesichtszügen und Augen der jungen Frau. Sie hatte ihr rotes Haar wieder zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Das ging schnell und war praktisch. Anlässlich dieses besonderen Treffens trug Anika ihre guten Schuhe, einen schwarzen Rock, eine weiße Bluse und einen grauen Blazer. Sie hielt einen Energydrink in der Hand, als könnte dieser ihren Schlafmangel kompensieren.
Vielleicht hätte ich mir auch eine Dose von diesem Zeug besorgen sollen . Maureens Augenlider waren schwer wie Blei. Der Blick, den sie in den Hotelspiegel geworfen hatte, ehe sie aufgebrochen waren, hatte sie nicht beruhigt. Zumindest hatte sie noch schnell duschen und sich umziehen können. Doch ihre saubere Kleidung war durch den Transport in der Reisetasche zerknittert.
Maureen hatte sich gefragt, ob die Zeit wohl ausreichte, sie noch zum Bügeln zu geben.
Alles in allem waren ihnen zwei Stunden Zeit im Hotel geblieben, ehe der Fahrer des Außenministeriums sie Punkt halb acht morgens abgeholt und sie nach Foggy Bottom gebracht hatte. Dort wurden sie am Eingang empfangen, mit Besucherausweisen
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