Der Eden Effekt
haben sich mit dem Schott-Artikel beschäftigt. Die Variablen haben sie sehr verwirrt, doch keiner von ihnen sieht eine Bedrohung für die modernen Gesellschaften.«
Anika hob die Hand. »Der Schott-Artikel, Frau Ministerin? Das ist nur eine verkürzte Darstellung. Ihre Mitarbeiter werden nicht gewusst haben, dass die Sozialstatistiken auf der Grundlage von Klimamodellen erstellt wurden. Wenn sie nicht mit archäologischen Modellen vertraut sind, können sie nicht verstehen, wie man die Korrelationskoeffizienten oder Algorithmen anwendet.« Anika machte eine kurze Pause. »Das steht in meiner Dissertation.« Sie zuckte zusammen. »Nun, größtenteils.«
»Was soll das heißen, größtenteils?«
Anika spreizte die Hände. »Das Modell, das ich eingereicht habe, war dazu bestimmt, die Anforderungen einer Dissertation zu erfüllen. In der Dissertation wird eine prähistorische Gesellschaft dargestellt. In diesem Fall Cahokia.«
Maureen, die den verwirrten Blick der Außenministerin sah, fügte hinzu: »Das größte prähistorische Reich in Nordamerika bis circa 1200 nach Christi Geburt.«
»Warum habe ich noch nie etwas davon gehört?«
Maureen sagte nicht: Weil Sie Amerikanerin sind und keine Ahnung von Ihrer eigenen Geschichte haben. Stattdessen antwortete sie: »Die Grabungsstätte liegt in der Nähe von St. Louis. Ihre Mitarbeiter können das recherchieren.«
»Noch einmal zurück zu dem Problem.« Die Außenministerin sah Anika mit durchdringendem Blick an. »Der Schott-Artikel behauptet, dass das Modell auf die moderne Welt übertragbar ist. Sie scheinen diese Meinung zu teilen. Warum?«
Maureen sah winzige Schweißperlen auf Anikas Stirn glitzern, als die junge Frau sich vorbeugte. »Weil die Kulturen, die wir anhand archäologischer Befunde studieren, denselben fundamentalen Regeln folgen wie die moderne globale Gesellschaft.« Anika holte tief Luft. »Wir sagen immer, dass wir die Vergangenheit studieren, damit sie sich nicht wiederholt, Frau Ministerin. Wenn uns die Ergebnisse dann vorliegen, glaubt sie niemand. Wir sagen immer: Ja, aber heute ist es anders. Wir haben Traktoren, Flugzeuge, Wissenschaft und Kommunikation. Wir haben Instrumente, die die Menschen damals nicht hatten.«
»Ich glaube, dass ist eine Untertreibung ...«
»Aber wir sind nicht anders, Ma’am. Unser Verhalten hat sich nicht grundsätzlich verändert. Ausbeutung der Ressourcen, Umverteilung, Handel, Produktion – all diese Dinge geschehen heutzutage nur auf einem sehr viel höher entwickelten Niveau. In der Weltwirtschaft sind dieselben grundlegenden Verhaltensweisen zu finden, wie es sie in grauer Vorzeit in den Gesellschaften der Jäger und Sammler gab. Wenn Gesellschaften sesshaft werden, sich vergrößern und entwickeln, bleiben die Grundlagen doch gleich.«
Die Außenministerin presste die Hände zusammen. »Doch wenn Böden ausgelaugt sind, düngen wir sie. Um Dürre zu bekämpfen, bohren wir Brunnen. Das ist der Unterschied, Dr. French. Wir finden alternative Lösungen, die nicht von den Göttern abhängen.«
Anika schüttelte eigensinnig den Kopf. »Sie denken lokal. Ich denke global. Nehmen Sie irgendeinen Faktor. Den Verlust der Artenvielfalt? Kohlendioxid in der Atmosphäre? Die Übersäuerung der Meere? Ozonabbau? Stickstoff- und Phosphorkreisläufe? Und der wichtigste Faktor von allen: das Bevölkerungswachstum. Bei allem Respekt, Ma’am, aber wo sind da Ihre alternativen Lösungen?«
»Wir arbeiten daran.«
»Die gesellschaftlichen Triebkräfte werden es nicht zulassen. Die Regel lautet, dass mit der Weiterentwicklung der Gesellschaften in Verbindung mit der Ausbeutung von Ressourcen ein exponentiell ansteigender Verlust an Flexibilität einhergeht.«
»Erklären Sie das bitte.«
»In der Zeit des Jagens und Sammelns nahmen die Menschen einfach ihre Zelte und zogen weiter ins nächste Tal, wenn sie die Tiere größtenteils erlegt hatten. Doch die Entwicklung des Ackerbaus fesselte die Menschen an ein bestimmtes Stück Land. In Cahokia veränderte sich das Klima, der Boden war ausgelaugt, und die Getreideernte fiel schlecht aus. Zweihunderttausend Menschen konnten nicht einfach ihre Zelte abbrechen und weiterziehen. Stattdessen brach die gesamte Gesellschaft zusammen. Vergleichen Sie das mit unserer modernen Welt. Was passiert, wenn an die sieben Milliarden Menschen, denen die Vorräte an Nahrungsmitteln und Energie gerade noch das Überleben sichern, eine Katastrophe erleben?«
»Welche zum Beispiel?«
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