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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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mehr Killer kommen. Als der Fußboden ihr entgegenkam, hörte sie irgendwo über sich das Dröhnen eines Helikopters. Aber das war vielleicht auch nur ihr eigener Herzschlag.

26

Feldlazarett der US Army, Camp New Jersey, Kuwait
    Er gewöhnte sich allmählich an die chaotische, turbulente Abfolge der Ereignisse. Ständig wachte er in einem anderen Feld- oder Krankenbett auf oder auch auf einer Campingliege, auf der er vorübergehend untergebracht wurde. Melton kannte das aus seiner Zeit bei den Rangers, bei denen es abwechselnd »Los geht’s« und »Halt stopp!« geheißen hatte. In seiner späteren Zeit als ziviler Militärkorrespondent hatte er seine persönliche Unabhängigkeit zu schätzen gelernt, aber er war trotzdem in der Army hängengeblieben. Die Army wiederum hatte aus dem »Hängenbleiben« und Abwarten eine Art olympische Disziplin entwickelt. Ein Soldat verbrachte den größten Teil seiner Zeit damit, nichts zu tun, musste aber jederzeit darauf gefasst sein, dass er zu einem Gewaltmarsch abkommandiert wurde, dessen Sinn und Ziel ihm unbekannt blieben. In den sechsunddreißig Stunden, seit er aufgewacht war, hatte Melton alle Möglichkeiten dieser Existenz bereits durchexerziert.
    Er war ziemlich schockiert gewesen, als er von der Kantine zurückkehrte und feststellen musste, dass Corporal Shetty verschwunden war. Er war mit einem Evakuierungsflug nach Ramstein unterwegs. Nun war Melton wieder allein, ohne Freunde oder Kollegen oder auch nur flüchtige Bekannte, bis Sanitäter Deftereos erneut auftauchte, diesmal mit einem Kampfanzug und der dazugehörigen braunen Unterwäsche. Er wurde von einer erschöpft
aussehenden Ärztin begleitet, die Melton kurz untersuchte, seine Nähte kontrollierte und ihm ein Rezept für ein Antibiotikum ausstellte. Dann unterschrieb sie einen Marschbefehl, riss ihn von ihrem Clipboard und schob ihn in seine Jackentasche.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte sie mit matter Stimme. »Sie haben eine kostenlose Reise gewonnen, die sie aus meinem Zuständigkeitsbereich irgendwo ins Nirgendwo ihrer persönlichen rätselhaften Existenz führt.«
    Er hatte keine Gelegenheit, Luft zu holen, um nachzufragen, was, zum Teufel, sie damit meinte, da war sie auch schon weg und verteilte ähnliche Rezepte und Marschbefehle an weitere Patienten wie eine defekte Maschine. Deftereos war da eine größere Hilfe. Er machte ihm mit einigen Gesten klar, dass er genau hier an dieser Stelle bleiben sollte, jedenfalls für die nächsten Minuten oder so. Melton fühlte sich verlassen und einsamer als je zuvor und war schon kurz davor, wieder in sein Bett zu kriechen, als der Sanitäter ihn am Arm packte und zurückhielt.
    »Nein, halt, Sie müssen jetzt sofort hier raus, Sir!«
    »Warum? Was ist denn los?«
    »Woher soll ich das wissen? Glauben Sie, mir sagt jemand was? Ich habe keine Scheiß-Ahnung, entschuldigen Sie bitte meine Ausdrucksweise.«
    Ganz offensichtlich war er ziemlich durcheinander.
    »Passen Sie auf, uns wurde eben befohlen, wir sollen mindestens ein Drittel unserer Patienten loswerden. Corporal Shetty hat das große Los gezogen, als Sie weg waren, und wird ausgeflogen. Und Sie haben das Glück, mit einem zivilen Charterflug nach London reisen zu dürfen. Wenn ich Sie wäre, würde ich mich ganz schnell auf die Socken machen. Ich würde so schnell losrennen, dass nur noch eine Staubwolke von mir zu sehen wäre. Los jetzt! Sie müssen zum Hubschrauber-Landeplatz.«

    Er drückte Melton ein kleines Fläschchen mit Tabletten in die Hand. Vicodin.
    »Das ist gegen die Schmerzen, wegen der Schulter und des Fingers«, sagte er. »Machen Sie sich keine Sorgen um Ihre Ausrüstung. Die Sachen sind alle schon vorgeschickt worden. Und jetzt müssen Sie endlich gehen.«
    Und damit war er draußen in der staubigen, grellen Welt außerhalb des Zeltes und ganz auf sich allein gestellt. Das Einzige, was er tun konnte, war, sich dem kleinen Pulk von Verwundeten anzuschließen, die genau wie er losgeschickt worden waren und denen das nicht ganz geheuer war. Sie hatten genug Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, was draußen im Feld wohl schiefgelaufen war. Vielleicht waren biologische Waffen zum Einsatz gekommen, und es hatte Hunderte oder Tausende Tote oder Verwundete unter den US-Soldaten gegeben. Aber bevor diese Spekulationen irgendwo hinführten, kam ein weißer Bus mit der blauen Beschriftung des Hilton Hotels um eine Ecke gefahren, und hielt an. Ein Kommandant der Navy steckte seinen Kopf aus

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