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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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der hinteren Tür und brüllte, sie sollten schleunigst ihre Ärsche in Bewegung setzen und einsteigen, sonst könnten sie sehen, wo sie blieben.
    Melton blieb nicht viel von diesem Transport in Erinnerung: Sie gelangten zu einem großen Hubschrauberlandeplatz, wo zivile Helikopter aller Arten und Armee-Hubschrauber ständig landeten und starteten. Er kletterte in einen Chinook aus der Vietnam-Ära, der mit einer australischen Mannschaft besetzt war, und bekam von dem Flug kaum etwas mit, nachdem er zwei Vicodin mit ein paar Schlucken Wasser heruntergespült hatte. Danach verbrachte er eine halbe Stunde in einem luxuriös ausgestatteten zivilen Flughafen, wo er immerhin das Rezept für sein Antibiotikum einlösen konnte, das ihn hier zehnmal so viel kostete wie sonst üblich.

    Den Flug nach Katar verbrachte er schlafend. Dort landete er in einem riesigen Hangar mit Hunderten verwundeter Soldaten, die auf Tragen lagen, wenn sie Glück hatten, oder, wenn sie Pech hatten, auf Plastikstühlen sitzen mussten. Das Vicodin und der Transport hatten ihn erschöpft. Er taumelte auf eine Gruppe polnischer Soldaten zu, die ihre Ausrüstung fein säuberlich in einer Ecke gestapelt hatten. Sie schienen in ausgezeichneter Verfassung zu sein und wurden von einem riesigen blonden Kerl kommandiert.
    »Witam!« Melton grinste ihn an und hob dann entschuldigend die Hände. »Tut mir leid, mehr Polnisch kann ich leider nicht, höchstens noch ›piwo‹ und ›piekna dzie … dzi‹ …«
    »Dziewczyna?«, grinste ein kleiner drahtiger Mann mit großem Schnurrbart ihn an, offenbar ein Sergeant. »Bier gibt es hier aber keins und hübsche Mädchen auch nicht. Nur verschwitzte stinkende GIs. Entschuldigung, falls sie auch ein GI sein sollten. Ich mag euch Amerikaner. Es tut mir leid, was passiert ist, sehr leid. Setzen Sie sich doch. Sie sind verletzt, stimmt’s?«
    Zwei der Polen machten ihm Platz und halfen ihm, sich auf ein paar Rucksäcke zu setzen. Darauf zu sitzen kam ihm wunderbar bequem vor.
    »GI? Nein«, sagte er und stöhnte auf. »Jedenfalls schon lange nicht mehr. Verwundet bin ich allerdings. Aber nicht sehr schlimm. Mir fehlen nur ein paar kleinere Teile.«
    »Nichts, was Sie davon abhalten könnte, ein paar Bier und ein paar Mädchen zu genießen?«
    »Nein.« Er lächelte. »So schlimm ist es nicht. Ich heiße übrigens Melton, Bret Melton. Ich bin Journalist, besser gesagt, ich war es …«
    Er zuckte mit den Schultern und beließ es dabei. Es wäre einfach zu anstrengend gewesen, jetzt noch seinen ganzen Lebenslauf aufzusagen und zu erklären, wieso
er von der Army Times weggegangen war, um als freier Autor für diverse britische Waffenmagazine zu arbeiten.
    »Wartet ihr schon lange auf euren Flug?«, fragte er stattdessen.
    »Seit acht Stunden. Das ist nicht lang. Viele hier warten schon seit Tagen. Manche sind hier gestorben. Lassen wir also die Scherze. Ich bin Feldwebel Fryderyk Milosz. Ich scherze nicht. Freut mich, Sie kennenzulernen, Melton. Das nur nebenbei. Na ja, das war jetzt doch ein Scherz. Ein polnischer Scherz. Das sind die besten.«
    Milosz grinste ihn fröhlich an und hob die Augenbrauen so überdeutlich, dass Melton einfach lachen musste. Es schmerzte ganz furchtbar an seiner Schulter, aber er ließ es dennoch zu. Es war lange her, seit er einfach mal losgelacht hatte. Auch Milosz’ Leute schienen jetzt lockerer zu werden. Sie grinsten und nickten und schienen für den Augenblick einen Teil ihrer Anspannung zu verlieren.
    »Wir kommen bald nach Hause«, sagte Milosz. »Aber wohin wollen Sie jetzt gehen, mein Freund?«
    Er schaute Melton mitfühlend an.
    »London, glaube ich«, antwortete er. »Das hat man mir jedenfalls gesagt. Aber was danach kommt, weiß ich wirklich nicht. Und ob es überhaupt ein Danach gibt.«
    »Nein«, stimmte Milosz zu und nickte nachdenklich, als hätte er eine tiefschürfende Wahrheit vernommen. »Vielleicht gibt es kein Danach.«
    Melton hob abwehrend die Hände, um anzudeuten, dass es keinen Sinn machte, darüber nachzugrübeln.
    Er lehnte sich zurück und musterte die Umgebung. Es war wirklich erstaunlich, wie schnell alles in sich zusammenfiel. Hier waren ungefähr tausend Militärangehörige in einen kochend heißen Hangar eingepfercht, auf einer vorübergehenden Basis irgendwo mitten im Nichts. Viele davon waren Marines, aber auch einige Army-Angehörige und Soldaten der Air Force befanden sich darunter, die die
gleichen frischen Kampfanzüge trugen, wie Melton einen

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