Der Effekt - Roman
große Stücke Putz von der Decke, Lehm und Holz splitterte, Staub rieselte herab und bedeckte sie wie weißer Puder. Sie hörte einen lauten Schmerzensschrei und unkontrolliertes Gewehrfeuer, dann fiel etwas Schweres zu Boden.
Sie warf einen Blick über die Schulter in der Angst, dort in der Tür könnte doch noch eine weitere Person auftauchen, aber da war niemand zu sehen.
Zum zweiten Mal an diesem Tag rannte sie das Treppenhaus hinauf. Im Lauf die schussbereite Patrone, zielte sie mit ihrer Flinte überall hin, wo der Angeschossene Schutz gesucht haben könnte.
Er bewegte sich noch, aber nur schwach. Das war also der letzte ihrer Angreifer, jedenfalls hoffte sie das. Er war dreimal getroffen worden, einmal in der Oberschenkelarterie, aus der sich ein breites Rinnsal Blut auf den zerschlissenen Teppich ergoss. Im Todeskampf hatte er sein Gewehr fallen lassen, und Caitlin kickte es mit dem Fuß
beiseite. Gleichzeitig achtete sie darauf, immer genau auf seinen Hinterkopf zu zielen. Irgendwo wurde eine Tür geöffnet, und sie schrie auf Französisch: »Polizei! Bleiben Sie zurück!«
Die Tür wurde hastig wieder zugeworfen. Irgendwo im Haus schrie ein Kind und wollte nicht mehr aufhören.
Vorsichtig näherte sie sich dem Verwundeten, achtete auf seine Hände und Füße. Jeden Moment konnte er versuchen, nach ihr zu fassen. Wenn sie an seiner Stelle gewesen wäre, hätte sie genau das versucht, wenn noch genug Kraft geblieben war. Aber ein gurgelndes Röcheln zeigte ihr, dass er bereits im Sterben lag. Sie hängte sich die Flinte über die Schulter, und sie stieß klirrend mit dem Lauf der Maschinenpistole zusammen. Sie zog eine ihrer Pistolen, kniete sich neben den auf dem Bauch liegenden Mann und versetzte ihm einen Schlag mit dem Lauf gegen das Ohr. Eine Schrotkugel hatte neben dem Ohr ein Stück Fleisch weggerissen. Sie drückte den Lauf der Pistole hinein. Er stöhnte erbärmlich auf, hatte aber keine Kraft, Widerstand zu leisten.
»Du hast nicht mehr viel Zeit, Peng Peng Pepe. Und du weißt es«, stieß sie auf Französisch hervor. »Aber ich kann dir deine letzten Minuten so sehr zur Hölle machen, dass sie dir wie eine Ewigkeit vorkommen.«
Um das Gesagte zu unterstreichen, verlagerte sie ihr Gewicht so, dass es auf eine der Rippen drückte, die aus einer hässlichen Wunde in der Brust herausragte. Er quiekte wie ein Schwein, und sie merkte, wie sich die Spitze des Knochens in ihr Knie bohrte.
»Okay. Zwei Fragen. Erstens: Hast du meine Freundin im Erdgeschoss erschossen?«
»Ich hab nicht …«
Sie schlug ein zweites Mal auf sein kaputtes Ohr. Er schrie laut auf, mit aller Kraft, die ihm noch zur Verfügung stand.
»Ja, ja. Ich hab es getan«, stammelte er auf Englisch mit schwerem Akzent.
»Zweitens: Wer hat euch geschickt?«
Diesmal musste sie nur ganz leicht zudrücken.
Als Antwort erhielt sie zumindest die Hälfte von dem, was sie wissen wollte.
»Noisy-le-Sec.«
Ihr Magen krampfte sich zusammen.
Es war genau so, wie sie gedacht hatte. Ihre Verfolger kamen vom französischen Geheimdienst.
Sie machte sich nicht die Mühe zu fragen, was sie von ihr wollten. Dieser Mann hier würde es sowieso nicht wissen, für ihn war sie nur eine Zielperson. Sie und Monique.
»Okay, ich hab gelogen. Ich will noch mehr wissen. Aus wie vielen Leuten bestand eure Truppe? Wie viele Schützen? Wie viele Späher?«
»Fotze«, stieß er hervor.
Caitlin schlug auf seinen verletzten Brustkorb ein, und er schrie laut auf.
»Wie viele?«
Sein Heulen wurde immer lauter und hörte nicht mehr auf. Sie bekam eine Gänsehaut davon und war kurz davor, die Nerven zu verlieren.
Das reicht jetzt, entschied sie.
Sie stand vorsichtig auf, um ihm keine Chance zu geben, nach ihr zu fassen, und feuerte einen Schuss in seinen Hinterkopf. Das Heulen brach ab. Sie drehte sich um und stieg die Treppe hinunter zu Monique.
Sie musste sich nicht beeilen. Sie wusste ja, dass ihre Freundin - ja, das Wort »Freundin« erschien ihr angebracht - tot war.
Der Leichnam lag noch immer so da, wie sie ihn zuletzt gesehen hatte, und wirkte, als würde er langsam im Boden versinken, begraben unter seinem eigenen Gewicht. Am
Rand ihres Sichtfelds blitzten bunte Lichtkränze auf, und in ihrem Kopf begann sich alles zu drehen. Ein scharfer Schmerz bohrte sich durch ihr Gehirn. Caitlin taumelte rückwärts gegen die Wand, die unter ihrem Gewicht nachzugeben schien. Sie musste raus. Sie musste ihre Freundin hier liegen lassen. Es würden noch
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