Der Effekt - Roman
oder einem sonstigen Kontakt hingezogen zu fühlen. Andererseits war sie auch noch nie aufgewacht und mit der Diagnose eines Gehirntumors konfrontiert worden oder damit, dass ihre Welt von einem Tag auf den anderen verschwunden war, als sei alles nur ein Traum gewesen. Sie versuchte, die stärker werdenden Schmerzen und Krankheitssymptome zu verdrängen und sich davon zu überzeugen, dass sie nur deshalb sentimental wurde, weil sie die einzige Stütze in ihrem Kampf ums Überleben verloren hatte. Und natürlich die Schlüsselperson ihres Auftrags.
Eine unkontrollierbare Welle der Wut drohte von ihr Besitz zu ergreifen, als sie an den Anblick der tödlich verletzten Monique dachte, die sich krümmte vor Schmerzen, während ihr Blut auf den schmutzigen Boden der verwahrlosten Wohnung floss. Sie war ein Wirrkopf gewesen, aber sie hatte Caitlin geholfen, als es naheliegender für sie gewesen wäre, das Weite zu suchen. Das Mindeste, was Caitlin für sie tun konnte, war Vergeltung zu üben.
Ein gutes Dutzend Menschen befand sich auf der Straße, sie liefen nervös hin und her und horchten auf die Schüsse in der Nähe. Ein junger Mann rief alarmiert: »Vorsicht, sie ist bewaffnet!« Daraufhin rannten alle davon und suchten Schutz. Caitlin eilte die Straße zurück zur spitzen Ecke des Häuserdreiecks. Sie überlegte kurz und trat dann durch das geöffnete Tor einer Autowerkstatt. Drinnen schrie sie laut, sie sei von der Polizei und forderte alle auf, sich auf den Boden zu legen. Sie hörte weitere Warnrufe. Zwei Männer in Overalls rannten vor ihr davon. Sie ignorierte sie.
An der Spitze des Häuserblocks gab es keinen Hinterhof. Die Werkstatt lag an beiden Seiten des Dreiecks. Wenn sie das Gebäude durchquerte, gelangte sie auf der anderen Seite auf die Straße, direkt hinter dem weißen Lieferwagen ihrer Gegner. Sie lief durch die Werkstatthalle,
vorbei an zwei Gruben, in denen Mechaniker standen, die sich an einem nagelneuen Honda Accord und einem antiken Trabant zu schaffen machten. Durch große Glastüren spähte sie auf die Straße. Nicht weit entfernt stand der blutbespritzte Lieferwagen. Eine leblose Hand lag auf dem Asphalt.
Wieder ertönte das rhythmische Knattern des Sturmgewehrs. Die Kugeln flogen nicht in ihre Richtung, trotzdem setzte ihr Herzschlag kurz aus. Sie sah eine aufsteigende Rauchwolke und bemerkte das Aufblitzen des Gewehrlaufs im Hauseingang, wo sich der letzte Schütze verbarg. Er war bis zum Eingang des Hauses gelangt, in dem die angeschossene Monique lag, die Tür hatte er bereits zerschossen.
Und genau dahinter liegt sie, dachte Caitlin.
Eine Sekunde genügte, um ihre Waffe zu kontrollieren und das Nachladen zu beenden. So weit sie sehen konnte, war alles in Ordnung. Sie lud ihre Glock-Pistole nach und hielt inne, um kurz zu überlegen.
Was ist, wenn da noch mehr von ihnen sind? Es müssen noch mehr sein, dachte sie. Sie suchte Fenster und Dächer ab, die geparkten Autos, und bemerkte einige Fußgänger, die verrückt genug waren, auf der Straße herumzulaufen.
Egal, entschied sie, überrumpeln ist die beste Taktik.
Die Schützen, die auf dem Gehweg und auf der Straße lagen, waren tot. Sie rannte am Lieferwagen vorbei und behielt dabei den Mann im Auge, dessen Fuß aus dem Führerhaus ragte, aber er war auch tot. Verblutet. Der letzte ihrer Angreifer befand sich im Haus, außer Sichtweite von ihr.
Sie wurde schneller und duckte sich unterhalb der Fensterbänke, um zur Eingangstür zu gelangen. Dort hob sie die Schrotflinte, drückte den Abzug halb durch und sah Monique im Hausflur liegen, wie ein gefällter Baumstamm
in einer Lache ihres eigenen Bluts und sonstiger Körperflüssigkeiten. Ihr Kopf war ein einziger Brei aus Blut, Hirnmasse und Knorpel. Nur an den lächerlichen Protest-Stickern auf ihrer Jacke konnte man erkennen, dass es sich um Monique handelte. Eine unendliche Wut erfasste Caitlin.
Du verdammter dreckiger Schwanzlutscher, fluchte sie, wir beide haben noch eine Rechnung zu begleichen.
Blutige Fußspuren führten auf der Treppe nach oben. Über sich hörte sie das Knarren des Holzfußbodens.
O ja, dachte Caitlin und richtete die Flinte nach oben zur Decke. Wir haben noch eine Rechnung zu begleichen.
Sie drückte ab, zwei-, drei-, viermal, ohne sich irgendwelche Gedanken über Kollateralschäden zu machen. Sie dachte nicht über die Familien nach, die hier im Haus wohnten, oder das Kinderbett, das sie in einem Zimmer gesehen hatte. Mit jedem Schuss lösten sich
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