Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
rationiert und eine zeitweilige Ausgangssperre verhängt worden war.
    Bobby bremste den Wagen ab. Vor dem Militärstützpunkt Fort DeRussy hatte sich eine größere Menschenmenge gebildet, weil es dort inzwischen ein Zentrum für die Nahrungsmittelverteilung gab. Etwa ein Dutzend Lastwagen parkten hintereinander neben einer Reihe von neu aufgestellten olivfarbenen Zelten. Soldaten entluden Hunderte von Kisten und stapelten sie unter dem wachsamen Auge ihrer bewaffneten Kollegen übereinander. Es war noch immer ein ungewohnter Anblick, wenn Amerikaner sich in eine Reihe stellten, um wie Erdbebenopfer aus Honduras ihre Lebensmittelhilfe, ihre Ration Reis oder Babynahrung entgegenzunehmen. Culver versagte sich weitere Assoziationen und wandte sich wieder seinen Papieren zu. Er machte sich einige Notizen bezüglich der Rede, die er später am Tag halten wollte, wenn er mit den anderen hochrangigen Juristen der übrig gebliebenen US-Staaten per Telefon konferieren würde.
    Admiral Ritchie beharrte darauf, dass die Streitkräfte nicht länger in einem Zustand verfassungsrechtlicher Unklarheit bleiben durften. Es ging nicht nur darum, den Militärs
eine politische Führung überzuordnen, weil sie im Nahen Osten in heftige Kämpfe verwickelt waren. Überall auf der Welt machte man sich Sorgen über die Armee ohne Führung, die für alle Staaten ein Risiko darstellte, und außerdem musste sichergestellt werden, dass die noch vorhandenen Truppen sich nicht einfach auflösten.
    »Wie sollen wir weitermachen?«, hatte Ritchie Culver am Vorabend gefragt.
    Der Admiral hätte genauso gut fragen können: »Warum sollen wir weitermachen?« Es war kaum vorstellbar, eine Kampftruppe zusammenzuhalten, wenn es nichts mehr gab, wofür sie kämpfen sollte. Außerdem machte sich der Mangel an Geld und Nachschub bemerkbar.
    Zunächst ging es nur ums nackte Überleben. Aber was war, wenn die jetzige turbulente Situation beendet war? Eine Nation von rund zehn Millionen Menschen - so viele Amerikaner hatten schätzungsweise die Katastrophe überlebt - konnte nicht mal einen Bruchteil der Streitkräfte unterhalten, die jetzt noch existierte. Schon gar nicht, solange das Land hinter dieser mysteriösen Energiewelle verschwunden war. Culver bezweifelte, dass das übrig gebliebene Land auf dem Kontinent auf mittlere Sicht hin wirklich benutzbar sein würde. Die Leute in Seattle und in Vancouver saßen in einer Falle. Keiner der Menschen dort konnte sicher sein, dass der Effekt sich nicht plötzlich ausdehnte und sie allesamt verschluckte. Andererseits konnte überhaupt niemand auf diesem Planeten sicher sein, davor verschont zu werden.
    Man fragte sich natürlich, was mehr zum allgemeinen Chaos beitrug, dieses undurchschaubare unheilvolle Ding, das in die Welt getreten war, oder das jähe Verschwinden der einstmals gigantischen Großmacht Amerika. Wie auch immer, es machte keinen Sinn, über so etwas nachzudenken. Das Einzige, auf das es ankam, war, die Probleme zu lösen, die er hier und jetzt in den Griff bekommen konnte.

    Im Augenblick ging es darum, die Überreste des alten Staates zu stabilisieren und seine Familie in Sicherheit zu bringen.
    Er klappte seinen Laptop auf und begann einen E-Mail-Brief an Ritchie zu schreiben. Er wollte dem Admiral noch einige Ideen übermitteln, bevor die Konferenz am Nachmittag begann.
    Er schrieb langsam und wog die Worte sorgsam ab, bemühte sich aber, den lockeren Stil einzuhalten, den er sich im Umgang mit dem Navy-Offizier angewöhnt hatte.
     
    Hallo, Ritch, Sie haben mich gebeten, Ihnen einige Gedanken bezüglich der Nachfolgeregelung mitzuteilen, bevor ich sie den anderen Teilnehmern der Konferenz präsentiere. Ich denke, die einzige Möglichkeit, diese Angelegenheit in den Griff zu bekommen, ist, sie ganz grundlegend zu betrachten. Wenn wir uns auf die komplexen Regelungen der Verfassung beziehen, kommen wir in Teufels Küche. Was wir brauchen, ist ein kurzes und knappes Regelwerk, eine pragmatische Verfassung, mit der wir wieder handlungsfähig werden.
    Normalerweise benötigt man zwei Drittel der existierenden gesetzgebenden Institutionen, um so etwas festzulegen. Das wäre die einzige Möglichkeit, solange Kongress und Senat nicht existieren. In Artikel 5 der Verfassung heißt es, dass diese »zwei Drittel« »zwei Drittel« aller Staaten repräsentieren müssen, aber das ist unter den gegenwärtigen Umständen nicht möglich.
    Die einzige gangbare Option wäre, dass die drei übrig gebliebenen

Weitere Kostenlose Bücher