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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Staaten sich zu den einzig verbliebenen Staaten erklären und dieses Regelwerk in Kraft setzen, indem sie sich als Treuhänder der »verschollenen« Staaten definieren. Dann geben sie ihr Votum im Namen dieser Staaten ab, weil es sich um einen Notstand handelt. Dies wäre meiner Ansicht nach die einzige Möglichkeit, in der jetzigen
Situation getreu der amerikanischen Verfassung wieder eine funktionstüchtige Regierung zu konstituieren.
     
    Jed hörte auf zu tippen und starrte aus dem Fenster. Sie waren jetzt auf eine kaum befahrene Ausfallstraße eingebogen, und nur wenige Geländewagen bewegten sich von Pearl aus Richtung Innenstadt. Rechts flog der National Memorial Cemetery vorbei. Ein Großonkel von ihm war auf diesem Friedhof beerdigt. Onkel Lou aus der Familie seiner Mutter. Er hatte eigentlich vorgehabt, das Grab während seines Hawaii-Aufenthalts zu besuchen, aber daraus war nichts geworden. Sein Vorfahre würde es sicherlich verstehen. Lou Stafford war auf Wake Island umgekommen, am gleichen Tag, als die Japaner Pearl Harbor bombardiert hatten. Er hatte bis zuletzt Widerstand geleistet, auch als es schon hoffnungslos war. Er hatte sein Leben geopfert, damit Jed und seine Kinder in Freiheit leben konnten. Was der alte Lou wohl über all dies gedacht hätte?, fragte sich Culver, und erst dann fiel ihm ein, dass Onkel Lou ja nur neunzehn Jahre gewesen war. Sehr alt war er also nicht geworden. Culver nickte kurz in seine Richtung, mehr Reverenz konnte er ihm im Augenblick nicht erweisen.
    Er wandte sich wieder dem Bildschirm zu und fragte sich, wie schwierig es wohl werden könnte, eine funktionsfähige Verfassung zustande zu bringen. Die Verschiedenartigkeit der drei verbliebenen Staaten könnte Probleme machen. Hawaii und Washington waren Staaten mit eher liberaler Bevölkerung, der letztere auch nicht sehr Armee-freundlich. Die Leute in Seattle waren ziemlich selbstgerecht gewesen, aber das hatte sich inzwischen wahrscheinlich geändert. Hawaii hatte kein Öl, keine Landwirtschaft und keine Industrie, aber große Militärstützpunkte. Die maritimen Streitkräfte, die hier lagen, waren wahrscheinlich größer als die jedes anderen Landes.
Der Staat Washington verfügte über Landwirtschaft, Industrie, Raffinerien, besaß aber keine Ölvorkommen. Alaska wiederum besaß reiche Ölvorkommen, Raffinerien, aber keine Landwirtschaft, und die wenigen Leute, die dort lebten, waren sehr konservativ.
    Er konnte sich wirklich nicht vorstellen, wie man die alle unter einen Hut bekam.
    Seit Massachusetts und Mississippi verschwunden waren, dürften Alaska und Washington wahrscheinlich die gegensätzlichsten Staaten der USA sein. Da Washington über mehr Menschen verfügte und gute Ressourcen hatte, würde es wahrscheinlich als starke Stimme gegenüber Alaska auftreten können. Alaska wiederum konnte sich als die letzte Bastion des Individualismus sehen und allen Bestrebungen in Richtung auf eine Einengung des Föderalismus und mehr Bevormundung entgegentreten.
    Es würde sehr schwierig werden, das stand fest. Grundlegende Prinzipien würden neu diskutiert werden, und nirgendwo war ein George Washington in Sicht, der die Delegierten zusammenschweißen konnte. Eine verfassungsgebende Versammlung, die aus drei Parteien bestand, würde zweifellos an Konfliktpotenzial die besten Wrestling-Begegnungen übertreffen.
    Er seufzte und fühlte sich schon erschöpft, wenn er nur darüber nachdachte, wie er das alles zusammenschnüren sollte, so dass jeder das Gefühl hatte, gerecht behandelt worden zu sein.
    Der Trick, so schrieb er an Ritchie, würde sein, alle Quertreiber einzusacken, bevor sie überhaupt kapierten, um was genau es ging.
    Der Schlüssel, so überlegte er, ist George Washington. Und wenn es keinen modernen George W. gab, dann musste eben einer erfunden werden.

29

Hauptquartier der pazifischen Streitkräfte, Hawaii
    Er war ein Macher und ein Schlitzohr obendrein, und ganz bestimmt durfte man ihn nicht mit der Portokasse allein lassen. Trotzdem mochte Admiral Ritchie diesen Culver von Mal zu Mal lieber. Es gab eigentlich keinen Grund, warum sie so gut miteinander klarkamen. Sie stammten aus völlig verschiedenen Welten. Culver aus dem reichen Ostküstenadel mit viel Geschichte im Hintergrund und ausgezeichneten Manieren. Der Soldat aus den Südstaaten war im Vergleich dazu nichts weiter als ein Emporkömmling. Naiv aber waren sie beide nicht, und dank der Auskünfte von Colonel Maccomb vom militärischen

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