Der Effekt - Roman
weitermachen.«
Neun Offiziere befanden sich im Raum. Ritchie nickte zustimmend, nachdem Murphy sich auf seine typisch rohe Art zu Wort gemeldet hatte. Aber er konnte nicht anders, als bewundernd zuzusehen, wie der Anwalt sich diese kritische Bemerkung zunutze machte.
»Sie haben verdammt Recht«, sagte Culver. »Natürlich hätten wir das schon gestern erledigen müssen. Eigentlich gleich in dem Augenblick, als dieser Effekt über uns kam. Aber wir müssen uns damit abfinden, dass die Menschen, auch wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig verängstigt sind, sich daran gewöhnen werden. Der Tag wird kommen, an dem dieses Ding nicht das Erste ist, an das sie beim Aufwachen denken. Dann werden sie wieder anfangen, alles so zu tun wie früher, dann wird wieder jeder gegen jeden arbeiten. So sind die Menschen nun mal. Deshalb müssen wir jetzt etwas zustande bringen, was den Charme einer echten Verfassung hat. Es muss unsere guten Eigenschaften zum Vorschein bringen, denn Gott weiß, dass wir in der nächsten Zeit vor allem mit den Dämonen in uns kämpfen müssen.«
»Was genau schlagen Sie vor, Mr. Culver? Können Sie uns das mal im Einzelnen erläutern, Schritt für Schritt?«
»Selbstverständlich, Admiral. Grundsätzlich ist zu sagen, dass wir einige Gesetze brechen werden, aber dazu wird uns Jefferson seinen Segen geben. Sein Kauf von meinem Heimatstaat Louisiana zum Beispiel war absolut illegal, und das wusste er auch. Aber er wusste ebenso, dass die strikte Einhaltung der geschriebenen Gesetze zwar zu den Pflichten eines guten Bürgers gehört, es aber Momente gibt, in denen man sich über sie hinwegsetzen muss.«
Culver baute sich vor seinen Zuhörern auf und zitierte den dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten: »Die Gesetze des Notwendigen, der Selbsterhaltung unseres Landes, wenn es in Gefahr geraten ist, sind höher anzusiedeln. Unser Land aufgrund einer zu strikten Befolgung der
vorhandenen Gesetze zu verlieren wäre gleichbedeutend mit dem Verlust von Recht und Gesetz, Freiheit, Leben, Eigentum und allem, was uns Freude bereitet. Es wäre absurd, das Ziel den Mitteln zu opfern.«
Nachdem er damit fertig war, lehnte er sich nach vorn und stützte sich mit seinen breiten Händen auf dem Konferenztisch ab.
»Und das, meine Damen und Herren, bedeutet, dass wir uns jetzt zusammenraufen müssen. Und zwar schnell. Und mit ›wir‹ meine ich das amerikanische Volk, beziehungsweise was von ihm übrig ist.«
»Ich denke, es wäre besser, wenn wir nicht in Uniformen mit diesem ganzen Klimbim auftreten würden … oder wie nennen Sie das Zeug?«
Culver deutete auf die Medaillen auf Ritchies Uniform und wartete eine Antwort des Admirals gar nicht erst ab.
»Tatsache ist, dass es in Seattle schon zu Blutvergießen gekommen ist. Die Leute dort sind sehr eigen. Klar, ich weiß natürlich, dass Sie genau wissen, wie man Nägel mit Köpfen macht, aber ich kann Ihnen versprechen, dass alles, was auch nur ansatzweise nach einem Militärputsch riecht, das endgültige Aus bedeuten würde.«
Ritchie schluckte seinen Frust herunter. Nur er und Culver waren im Büro geblieben, die anderen waren an ihre Arbeit zurückgekehrt. Er war hungrig und müde und wusste, dass er in dieser Hinsicht so bald nichts geregelt bekommen würde. Die Beschränkungen, die er dem Militär auf Hawaii auferlegt hatte, waren nicht nur Augenwischerei gewesen. Die Ernährungssituation würde prekär werden, wenn die Nahrungsmittel nicht weiter rationiert wurden. Auf den Flughäfen der Inseln wurde rund um die Uhr gearbeitet, um Lebensmittel herein- und Menschen hinauszufliegen, aber die weltweite wirtschaftliche Krise begann sich bemerkbar zu machen. Die Chinesen und die
Japaner hatten klammheimlich ihre mit Nahrungsmitteln und medizinischen Hilfsgütern beladenen Containerschiffe, die nach Hawaii unterwegs gewesen waren, zurückbeordert. Ritchie hatte seine Tasse Kaffee, den er zum Frühstück bekommen hatte, bewusst ausgekostet, weil er sich fragte, ob er jemals wieder eine bekam.
»Ja, ich verstehe, Mr. Culver«, sagte er und verbiss sich, ihn einfach nur »Jed« zu nennen. »Aber ich stecke mitten in einem illegalen Krieg. Männer und Frauen gehen in den Tod, weil ich ihnen den Befehl dazu gebe. Und warum tun sie das? Es gibt keinen Grund dafür, jedenfalls keinen triftigen. Wir sind da, wo wir sind, weil wir nun mal da sind und nicht einfach so wieder rauskönnen. Wir können uns nicht mal an die Vereinten Nationen wenden
Weitere Kostenlose Bücher