Der Effekt - Roman
und um Hilfe bitten.«
»Ich weiß, wie sehr Sie unter Druck stehen, Admiral. Ich weiß …«
»Wirklich? Wissen Sie das?« Ritchie stand auf und ging zum Fenster. Er starrte hinaus. Es war Nachmittag, die Sonne schien. Er atmete tief durch und wandte sich wieder Culver zu.
»Ich bekomme ständig Anfragen aus diesen diktatorisch regierten arabischen Ländern mit reichen Ölvorkommen, auch aus denen, die wir jetzt gerade bekämpfen, und diese Leute wollen wissen, welche Politik die amerikanische Regierung ihnen gegenüber verfolgt. Denen kann ich sooft ich will erzählen, dass ich nicht der Präsident bin und auch nicht die Regierung. Das ist ihnen egal. Sie hören gar nicht richtig zu. Für sie ist der Mann, der die Befehlsgewalt hat, der Wichtigste. Und das bin ich. Ich habe immer noch genug Macht, sie fertigzumachen. Das Blöde ist nur, dass ich nicht einfach sagen kann, sie sollen verschwinden, weil ich einige noch brauche. Ich kann unsere Leute dort nicht rausholen ohne die Hilfe der Saudis, der Kuwaiter, der Türken und einiger anderer. Aber alle
wollen nicht, dass wir gehen, weil sie fürchten, dass dann alles zusammenbricht. Was ich brauche, Jed, ist Klarheit.«
Verdammt, dachte der Admiral, du verlierst die Fassung, reiß dich bloß zusammen.
»Ich brauche Befehle von einer ordentlich gewählten Regierung. Ich muss meine Leute aus diesem Chaos am Golf herausholen. Ich muss wissen, welche Rolle wir spielen. Ich muss wissen, über welche Ressourcen wir verfügen. Ich muss mit Tommy Franks telefonieren und ihm einen Weg aus seiner Katastrophe aufzeigen.«
Culver nahm diese kleine Tirade gelassen hin und wartete ab, bis sie vorüber war. Dann nickte er.
»Okay. Das brauchen Sie also. Dann will ich Ihnen mal sagen, was ich brauche, um Ihnen das alles zu beschaffen.«
Bei der Beschäftigung mit Culvers machiavellistischen Plänen kehrten Ritchies Kopfschmerzen zurück, die er mithilfe einiger Tabletten verbannt hatte. Der Admiral war nicht gerade glücklich darüber, so direkt in politische Intrigen verwickelt zu sein, aber der Anwalt hatte natürlich Recht. Die Vereinigten Staaten waren am Boden zerstört, und die einzige noch funktionierende und halbwegs korrekt arbeitende Institution war das Militär. Er hatte auch Recht damit, dass es die Grundprinzipien der amerikanischen Verfassung nicht zuließen, eine Militärdiktatur zu errichten, auch wenn man angesichts der wahnwitzigen Katastrophe zuerst daran dachte. Andererseits stand die brutale Wirklichkeit in deutlichem Kontrast zu diesen hehren Prinzipien.
»Der israelische Botschafter ist hier, Admiral.«
Ritchie genehmigte sich eine weitere Schmerztablette und spülte sie mit einem Schluck Wasser aus seinem Kaffeebecher herunter.
»Bitten Sie ihn herein.«
Der Mann, der nun den Raum betrat, war eher klein und trug eine Aktentasche unterm Arm. Sein graues Haar war auf eine Halbglatze reduziert. Tel Aviv hatte ihn als neuen Botschafter ernannt, aber Ritchie war klar, dass er als solcher nicht angesprochen werden durfte, weil er sich dem Präsidenten noch nicht formell vorgestellt hatte. Er selbst hatte sich geweigert, es an dessen Stelle zu tun. Trotzdem war Asher Warat der ausgewählte Repräsentant seiner Regierung, und als solcher verdiente er eine respektvolle Behandlung.
»Admiral.« Er lächelte freundlich. »Danke, dass Sie mich empfangen. Ich weiß, dass Sie sehr gefordert sind in diesen schweren Zeiten.«
Ritchie bedeutete ihm, auf einem der Lehnstühle vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Der Israeli setzte sich und stellte seinen Aktenkoffer auf dem Boden ab. Durch das Fenster hinter Warat konnte der Admiral den wunderbaren Ausblick auf die Halawa Heights bis hinunter zum Hafen genießen. Wenige Wolken zogen über den stahlblauen Himmel, und das Wasser in der Bucht glänzte silbrig. Wenn man nur lange genug hinsah, konnte man glauben, dass alles wieder normal war. Der ernste Gesichtsausdruck des Besuchers, der genau in Ritchies Blickrichtung saß, belehrte ihn eines Besseren.
»Jeder hat seine eigenen Sorgen, Mr. Warat. Ich vermute, Ihre wiegen nicht weniger schwer als meine.«
Warat nickte zustimmend und wirkte recht deprimiert dabei.
»Es gibt immer neue Überraschungen, besonders in diesen Tagen, Admiral. Und ich fürchte, einige unangenehme Überraschungen habe ich auch für Sie parat.«
Ritchie war sofort alarmiert. Die Müdigkeit der letzten Woche fiel von ihm ab. Aber der kleine Adrenalinschock konnte seine
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