Der Effekt - Roman
Leben. Experten sind der Ansicht, dass mehr als sechs Millionen Menschen in der Hauptstadt und im weiteren Umkreis ums Leben gekommen sind. Auch andere iranische Städte wurden zerstört …«
Pieraro bekreuzigte sich, als in der Bar das große Schweigen ausbrach.
Shah und Thapa standen wenige Meter entfernt und stellten eine Barriere für jeden dar, der sich Jules und ihren Leuten nähern wollte. Die beiden Gurkhas blieben unbewegt. Sie ließen weiter ihre Augen durch den Raum schweifen.
»Das war’s dann. Ich gehe nicht nach Hawaii«, sagte der Bauunternehmer.
»Was?«, fragte Jules, die noch immer versuchte, mitzubekommen, was im Fernsehen verbreitet wurde.
»Pearl Harbor, das ist auf Hawaii. Wenn es einen Atomkrieg gibt, dann wird dort bestimmt eine Bombe abgeworfen. Ich blättere Ihnen doch nicht mein ganzes Vermögen hin, um meine Familie von einer chinesischen Atombombe im Bruchteil einer Sekunde ins Jenseits befördern zu lassen.«
Der Mann hieß Cesky, Henry Cesky. Er war ein untersetzter, kräftig aussehender Mann mit dichtem schwarzem Haar und einer Nase, die ganz offensichtlich mehr als nur einmal gebrochen worden war. Ihm gehörten mehr als hundert Baukräne, die in zwölf nordamerikanischen Städten standen. Eine halbe Stunde nachdem er von der Energiewelle gehört hatte, hatte er alles Bargeld, das er auftreiben konnte, auf die Konten mehrerer Briefkastenfirmen in Vanuatu transferiert und es anschließend in Acapulco zum Kauf von Gold und Diamanten verwendet. Er war mit seiner Frau und vier Kindern unterwegs, alles Mädchen. Als er Jules getroffen hatte, hatte er um eine Passage nach Hawaii für seine Familie und eine anschließende Fahrt für sich selbst nach Seattle gebeten.
»Ich hab immer noch ein Büro in Seattle«, hatte er mit einer tiefen, rauen Stimme und noch immer hörbarem osteuropäischen Akzent erklärt. »Meine Mädchen können nicht nach Seattle mitkommen. Das ist zu nah an dieser verdammten Welle. Mir ist das egal, ich kann damit umgehen. Ich glaube nicht, dass sich dieses Scheißding irgendwohin bewegt. Also bringen Sie mich hin. Es gibt eine Menge Arbeit im Nordwesten. Da kann man viel Geld machen. Ich muss meine Verluste wettmachen und wieder reinholen, was ihr Scheißpiraten mir für den Transport abnehmt. Aber meine Mädchen müssen irgendwohin, wo es sicher ist. Hawaii.«
Das war vor einer halben Stunde gewesen.
Jetzt hatte Cesky ganz anderes im Sinn. »Scheiße, die werden ganz bestimmt nicht auf dieser Insel abgesetzt.
Die müssen ganz woandershin, weit weg von diesem ganzen verdammten Scheißkram …« Er deutete auf den Fernseher. »So weit weg wie möglich. Nach Neuseeland. Dort wurde ›Der Herr der Ringe‹ gedreht. Sie haben ein paar Sechs-Sterne-Hütten für die Superstars dort gebaut. Das liegt am Arsch der Welt. Ich bin da mal Angeln gewesen. Da ist es super. Oder Tasmanien. Wo diese Figur aus der Comic-Serie im Fernsehen herumläuft, aber in Wirklichkeit der Tasmanische Teufel. Das ist noch weiter weg. Aber nicht nach Pearl Harbor, bestimmt nicht.«
Jules wurde schwindelig. Cesky war noch nicht mal der Schlimmste unter ihren Passagieren. Da war auch noch dieser Pornokönig, Larry Zood. Er sah nicht aus wie ein Pornokönig, vielleicht, weil er ein Internet-Pornokönig war und deshalb mehr wie ein hinterlistiger Börsenmakler wirkte. Aber er strahlte etwas Widerwärtiges aus, und Jules war sich ziemlich sicher, dass er eines Tages dreihundert Pfund wiegen und eine Perücke tragen und immer noch verlangen würde, dass sich die Mädchen auf seine Knie setzten. Er hatte schon die ganze Zeit versucht, Fifi dazu zu bringen, nachdem er mitbekommen hatte, dass ihre Mutter mal ein »Hustler«-Model gewesen war.
»Larry Flynt war ein Held«, sagte er ganz ernst, bevor er Fifi an die Titten fasste. Als sie seine Hände mithilfe eines Jiu-Jitsu-Griffs abwehrte, lachte er bloß.
»Au! Was für Titten! Das war es wert.«
»Jules«, sagte Fifi mit verkniffenem Gesicht. »Wenn dieser Scheißkerl mit will, dann soll er das Doppelte zahlen.«
»Soll mir nur recht sein«, stimmte sie zu.
»He!«, protestierte der Pornokönig.
Jules beugte sich zu ihm und schaute ihn an, als wollte sie ihn wie ein Insekt mit einer Nadel aufspießen.
»Eins muss Ihnen klar sein, Mr. Zood. Wir sind nicht Ihre Nutten. Wir sind Menschenschmuggler. Kriminelle.
Wenn Sie einen aus meiner Mannschaft oder einen Passagier nochmal auf diese Art anfassen, dann wird Mr. Shah seine Pistole ziehen
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