Der Effekt - Roman
überlassen. Es sind zu viele Gegner. Das sollte keine Kritik an Ihnen sein, Shah.«
Der Angesprochene grinste. Er hatte das schon richtig verstanden.
»Ich möchte, dass Sie sich in zwei Gruppen aufteilen. Die eine besteht aus Personen, die mit Schusswaffen umgehen können, die andere aus solchen, die es nicht können. Sergeant Shah und Birendra werden Letzteren eine kurze Einführung geben, wie man die Dinger benutzt. Die anderen gehen mit Fifi nach unten zur Waffenkammer und statten sich angemessen aus. Bitte nicht in Panik verfallen. Was immer passieren wird, kommt erst in ein vielen Stunden auf uns zu, vielleicht auch erst in ein oder zwei Tagen. Machen Sie sich mit Ihren Waffen vertraut und mit dem Posten, auf den Sie gestellt werden. Versuchen Sie herauszufinden, wo es blinde Flecken oder Schwachpunkte gibt. Legen Sie sich einen Fluchtweg zurecht. Und dann sollten Sie sich ausruhen. Schauen Sie sich einen Film an oder gehen Sie in den Fitnessraum. Was immer Sie lieber mögen. Wenn es zum Kampf kommt, ist es besser, Sie sind vorher nicht die ganze Zeit wie ein aufgeschrecktes Huhn herumgerannt.«
Immerhin lachte jemand. Nervös.
Jules trat ein paar Schritte auf sie zu.
»Es ist gut möglich, dass gar nichts passiert«, sagte sie. »Wir können ihnen vielleicht entkommen. Wir haben ausreichend Treibstoff für eine Reise von sechstausend Seemeilen und genügend Vorräte für einen Monat, wenn wir haushalten. Wahrscheinlich werden wir sie in dem Sturm, der jetzt aufkommt, verlieren. Vielleicht aber auch nicht.«
Sie hielt inne, um zu sehen, welchen Eindruck ihre Worte gemacht hatten. Die Gesichter der älteren Mexikaner waren ausdruckslos, ihre schwarzen Augen sahen aus wie glänzende Steine in der Nacht. Die Frauen sahen noch viel trotziger aus, hatten aber Angst um ihre Kinder. Einige von den jüngeren Männern schienen begeistert.
Die Luxuspassagiere aber waren in stummer Panik gefangen.
»Vor allem müssen Sie sich eines klarmachen«, fuhr sie fort. »Jeder, der diese Jacht betritt, um uns Ärger zu machen, wird ausgeschaltet. Das heißt, er wird getötet. Wir werden kein Erbarmen mit ihnen haben, weil sie kein Erbarmen mit ihren Opfern kennen.«
39
Marinestützpunkt Guantánamo Bay, Kuba
»Wir könnten sie freilassen«, sagte Stavros mit unbewegter Miene. »Ungefähr hundertzwanzig Kilometer nördlich.«
General Tusk Musso brummte vor sich hin. Klar würde das einige Probleme lösen, wenn er seine Gefangenen einfach in die Energiewelle werfen ließ. Aber was würde die New York Times dazu sagen?
Nichts. Nicht mehr.
Verdammt, er musste nachdenken.
Musso schob die Fingerspitzen unter die Gläser seiner Sonnenbrille und rieb sich die schmerzenden, blutunterlaufenen Augen. Er rieb sich das Gesicht und spürte seine Bartstoppeln. Im Stützpunkt waren die Rasierklingen ausgegangen. In dieser Hinsicht musste auch etwas unternommen werden. Es war notwendig, die normalen Standards aufrechtzuerhalten.
Auch die Schuhcreme war verbraucht, kaum zu glauben, aber wahr. Die meisten Kampfstiefel sahen aus, als wären sie mit einem Schokoriegel geputzt worden, wenn überhaupt. Der General trug ein Paar neue Marine-Corps-Boots aus Wildleder. So musste er sich wenigstens keine Gedanken ums Putzen und Polieren machen.
Die Nachmittagssonne war warm, aber nicht unangenehm. Dennoch wurde sie von den Stahlpflöcken und Zäunen von Camp 4 so stark reflektiert, dass man eine Sonnenbrille tragen musste. Es war ruhig heute. Das nächste Gebet würde erst in einer Stunde wieder stattfinden, und
die Begeisterung unter den Gefangenen über den Effekt war längst verflogen. Dafür hatten die Israelis gesorgt. Die meisten der Gefangenen standen nun genauso einsam da wie die Amerikaner, die sie bewachten.
»Ich weiß nicht, was wir tun sollen, George«, gab Musso zu. »Pearl möchte, dass wir das erledigen. Das haben sie uns deutlich zu verstehen gegeben. Abgesehen von den Flüchtlingen, die Susan Pileggi uns schickt, haben wir keine wichtige Funktion mehr. Der Flüchtlingsstrom nimmt ohnehin ab. So wie es aussieht, gibt es keinen Grund mehr für diese armen Schlucker hierzubleiben.« Er deutete unbestimmt auf die Gefangenen. »Andererseits wird sich niemand bei mir bedanken, wenn ich noch ein paar Hundert Verrückte mehr auf die Welt loslasse. Was sollen wir also tun?«
»Keine Ahnung, General. Sie werden doch dafür bezahlt, über so was nachzudenken.«
Das sollte ein Scherz sein. Keiner von ihnen hatte seit drei Wochen
Weitere Kostenlose Bücher