Der Effekt - Roman
Kaffee. Immerhin gab es davon in diesem Teil der Welt noch genug, aber er war jetzt sehr teuer. Colonel Pileggi saß ihm gegenüber, außerhalb des Lichtkegels der Schreibtischlampe und im Schatten nur schemenhaft auszumachen. Auf ihren Knien lag ein Klemmbrett mit verschiedenen Prüflisten. Hinter ihr glitzerte das Wasser der Bucht im Mondschein. Zahlreiche zivile Boote lagen dort ruhig vor Anker und warteten auf die Abfahrt des nächsten Konvois Richtung Pazifik. Ein kleines Boot fuhr von einem zum anderen, verteilte Vorräte, sammelte Passagierlisten ein und gab Informationen über die Route des Konvois heraus. Im Gegensatz zu den turbulenten ersten Tagen der Katastrophe war es ruhig geworden im Lager. Nur wenige Soldaten hielten im Hauptquartier Wache. Alle anderen ruhten sich in ihren Baracken aus.
»Können wir damit rechnen, dass die Eskorte morgen eintrifft?«, fragte Pileggi. Kürzlich hatte es Probleme bei
der Durchfahrt des Panamakanals gegeben. Nachdem die staatlichen Institutionen in Panama zusammengebrochen waren, hatte die US Navy eine Kampfbrigade geschickt, um die Schleusen zu kontrollieren. Allerdings wurden sie von mehreren kriminellen Syndikaten bedrängt, und es verging kein Tag, an dem unter den Amerikanern nicht Opfer zu beklagen waren. Dementsprechend sollten die Truppen dort robust reagieren. Jeder, der sich den von den Amerikanern kontrollierten Schleusen näherte, wurde ohne Vorwarnung unter Beschuss genommen.
Musso nickte.
»Müsste eigentlich klappen. Die erste Eskorte wird von den Franzosen gestellt. Sie kommt aus Guayana. Eine Fregatte, allerdings so groß, dass sie als Zerstörer durchgehen kann. Ich hab mit dem Abgesandten in Cayenne gesprochen, der heute Nachmittag rübergeflogen kam. Sie wird den Kanal nicht durchqueren, bevor der Konvoi dort angekommen ist, und hat genug Feuerkraft, um Schutz zu bieten, wenn wir nicht mehr weiterkommen. Außerdem verfügt das Schiff über eine solide Infanterie. Unsere Leute nehmen den Konvoi auf der anderen Seite in Empfang. Dann machen sich die Franzosen mit der kleineren Gruppe auf den Weg nach Neukaledonien.«
Pileggi hob eine Augenbraue, sagte aber nichts.
Musso zuckte mit den Schultern. »Ich weiß, ich weiß. Ich bin genauso erstaunt darüber. Ich dachte, dass die Franzosen genug zu tun haben mit ihren eigenen Problemen, aber Sarkozys Anhänger haben schon länger ein Auge auf den Pazifik geworfen. Wenn Sie mich fragen, wird es bald eine Menge Franzosen geben, die die Aufstände und ethnischen Säuberungen in ihrem Land satthaben und sich nach einer Südsee-Idylle umsehen.«
»Verdammt«, murmelte Pileggi. »Sollen das die guten Nachrichten aus Pearl sein?«
»Ja. Es hat wohl Gespräche gegeben. Sehr geheime Gespräche. In Zukunft werden wir hier eine Art Transitstelle verwalten. Wenn Sarkozy mit seinen Ideen durchkommt.«
»Soweit ich informiert bin, kann man wohl davon ausgehen«, meinte Pileggi. Dann verdüsterte sich ihr Gesicht erneut. »Ich habe eine Menge Flüchtlinge auf den Weg in die französischen Kolonien gebracht. Was wird jetzt aus denen?«
»Keine Ahnung. Ich denke, es wird noch mehr Verhandlungen geben. In Französisch-Polynesien ist es ziemlich eng geworden. Aber im Augenblick haben wir selbst genug Probleme. Wir haben fast hundert Schiffe, die sicher aus dem Hafen und durch den Kanal gebracht werden müssen. Sind sie inzwischen mit genügend Lebensmitteln ausgerüstet? Soweit ich weiß, gab es Schwierigkeiten mit dem Nachschub.«
Pileggi tippte mit ihrem Stift auf das Clipboard.
»Die beiden Containerschiffe, die heute früh aus Portof-Spain kamen, haben so einiges an Bord gehabt, das wir gebrauchen können. Also habe ich die Ladung requirieren lassen. Meine Leute werden das alles durchsehen und weiterverteilen.«
»Hm. Und was sagen die Kapitäne dazu?«
Sie wischte seine Bedenken mit einer Handbewegung beiseite.
»Ziemlich locker. Sie haben uns sogar die Ladungslisten überlassen, um uns die Arbeit zu erleichtern. Sie fahren unter panamesischer Flagge. Die Besatzung besteht größtenteils aus Russen und Indern. Die Reederei ist pleitegegangen. Sie sagen, sie brauchen Treibstoff und eine Eskorte, um nach Australien zu kommen. Wahrscheinlich werden sie versuchen, alles, was sie haben, in Sydney zu verkaufen. Die Inder wollen von dort aus nach Hause, die Russen werden wahrscheinlich abhauen und untertauchen.«
»Das dürfte ihnen leichtfallen. Inzwischen dürften in Australien rund zwei Millionen
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