Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
konnte.
    »Wir brauchen ihn lebend. Ihn und auch Lacan. Wir müssen herausfinden, wie weit ihr Einfluss geht.«
    Caitlin verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die nasse Wand, von der sich die Tapete abschälte. Eine Bombe hatte die oberen Stockwerke des Hauses zerstört, nun regnete es herein. Sie trug eine gefütterte Armeejacke, aber es war so kalt, dass sie dennoch fror. Drei französische Kommandos behielten aus ihren Verstecken heraus die Straße im Auge. Es war höllisch schwer gewesen, überhaupt bis hierher zu kommen, und erst recht in das Gebäude gegenüber von Baumers letztem Aufenthaltsort. Drei Tage lang waren sie hinter ihm her gewesen, wobei ihnen ihre Kenntnisse über Al-Bannas Netzwerk und sein Kontakte nützlich gewesen waren. Drei Tage lang hatten sie sich wie die Ratten durch Müll und Schutt gewühlt, waren von einer Ruine zur nächsten vorgestoßen und hatten jeden Kontakt mit dem Feind vermieden, ob uniformiert oder nicht.
    Sie fühlte sich so gefestigt wie lange nicht mehr, sowohl in geistiger wie auch in körperlicher Hinsicht, obwohl die Krankheit ihr noch immer zu schaffen machte. Es würde Monate dauern, bis sie die Folgen ihrer Zeit in Noisy-le-Sec überwunden hatte. Eigentlich sollte sie gar nicht hier
draußen herumlaufen, aber sie hatte keine Wahl. Was Al-Banna betraf, wusste sie mehr als alle anderen, deshalb musste sie bei der Jagd nach ihm dabei sein, ganz egal, wie schlecht es ihr gehen mochte. In einer Ecke stand ein nasser, modrig riechender Sessel, bedeckt mit Mörtel und Mäusedreck. Nach einem weiteren kurzen Blick hinaus auf die Straße ließ sie sich darauf fallen. Von draußen drangen die Geräusche sporadischer Feuergefechte herein, aber auf der Straße direkt vor dem Haus war es ruhig. Weiter entferntes Donnern war zu hören, es kam von dem Gefecht am Rand des Parks, wo die Truppen von Sarkozy versuchten, in die Innenstadt einzudringen.
    »Vielleicht kommt er sowieso nicht«, sagte sie, bemüht, nicht allzu erschöpft zu klingen.
    »Nein«, gab Rolland zu. »Vielleicht nicht. Gut möglich, dass er die Stadt längst verlassen hat. Aber wir müssen trotzdem jede Gelegenheit wahrnehmen. Möchten Sie einen Schluck Kaffee, Caitlin? Ich hab welchen in der Küche gesehen. Einer meiner Männer könnte Wasser heiß machen. Wir werden womöglich eine ganze Weile warten müssen.«
    So kam es auch.
    Erst als die Nacht hereingebrochen war, konnte man irgendwelche Aktivitäten in der Straße feststellen. Etwas früher hatte es eine Explosion gegeben, und eine schwarze Rauchwolke war über dem Dach des Gebäudes auf der anderen Straßenseite aufgestiegen. Mehr war nicht passiert. Es war nur einer von vielen ungezielten Einschlägen, die ständig vorkamen. Nachmittags nickte sie ein und schlief einige Stunden. Als sie erwachte, nahmen Rolland und seine Leute einen kalten Imbiss zu sich. Sie hatte gehofft, die französische Armee würde über bessere Feldrationen verfügen als die amerikanische, wurde aber enttäuscht.
    Es war alles der übliche NATO-Standard, vermutete sie. »Miss Monroe, kommen Sie bitte mal.«

    Sie war sofort wach und glitt geschmeidig wie eine Katze von ihrem Sessel. Rolland stand am Fenster und schaute durch einen Spalt des Vorhangs hindurch.
    »Kennen Sie einen von diesen Männern?«
    Sie spähte nach draußen. Vier junge Männer, alle in Zivil und alle offenbar arabischer oder afrikanischer Herkunft, trafen vor dem überwachten Haus zusammen. Draußen war es jetzt dunkel geworden, aber man konnte erkennen, dass einige rauchten. Ein Feuerzeug ging von einem zum anderen, und im Schein der Flamme konnte sie ihre Gesichter erkennen. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie mindestens zwei von ihnen schon mal gesehen hatte.
    Vor allem einer kam ihr bekannt vor.
    Er war klein, hatte schmale runde Schultern und einen Bauch. Graue Haare, kein Schnurrbart, dunkelbraune Haut. Er rauchte selbst gedrehte Zigaretten, und in ihrer Erinnerung roch sie wieder den scharfen Geruch des Tabaks. Die eine Seite seines Gesichts war pockennarbig, die andere entstellt von Granatsplittern, die er abbekommen hatte. Die Verletzung bewirkte auch, dass er ständig blinzeln musste. Sie konnte es von hier nicht erkennen, aber sie wusste, dass er gelblich verfärbte Zähne hatte und zwei Schneidezähne fehlten. Die hatte er vor fünf Jahren in einem Handgemenge mit Mitarbeitern des Geheimdienstes in Malaysia verloren. Seine Arme und Beine waren muskulös, sein Körper gestählt durch

Weitere Kostenlose Bücher