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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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fortfahren, müssen wir die Frage klären, bei wem die Exekutivgewalt liegt.«

    »Gibt es keine autorisierten Überlebenden?«, erkundigte sich Tommy Franks.
    Ritchie schüttelte den Kopf.
    Je weiter wir darüber nachdenken, dachte Musso, umso düsterer werden die Aussichten. Der autorisierte Überlebende war ein Regierungsmitglied, das sich von jenen sechzehn oder siebzehn Personen fernhalten musste, die in der Reihe der Nachfolger des Präsidenten als Oberkommandierende der Streitkräfte standen. Die Reihenfolge war genau festgelegt wie bei militärischen Rängen. Diese Maßnahme griff nur, wenn die gesamte Exekutive des Landes sich an einem Ort versammelte, zum Beispiel während der Rede zur Lage der Nation des Präsidenten vor dem Kongress, aber in dieser Hinsicht jetzt ins Detail zu gehen wäre Wortklauberei. Wenn kein legitimer Nachfolger des Oberbefehlshabers auffindbar war, dann waren alle militärischen Operationen, zu denen sie sich entschließen sollten, illegal.
    »Elaine Chao, die Arbeitsministerin, nimmt in Genf an einer UN-Konferenz teil«, stellte Ritchie fest. »Aber sie wurde nicht in die Reihe der Nachfolger aufgenommen, weil sie nicht in Amerika geboren wurde. Wir können im Augenblick nur feststellen, dass niemand in diesem Zusammenhang … verfügbar ist.«
    »Sie meinen lebendig ist«, korrigierte Musso, der keine Lust mehr auf diese sprachlichen Verharmlosungen hatte. »Niemand von denen lebt mehr. Es gibt keine Nachfolger. Zu Hause. Irgendwo in dem betroffenen Gebiet. Bitte entschuldigen Sie, wenn ich jetzt schon spreche, aber ich glaube, wir müssen über die ganze Angelegenheit als Worst-Case-Szenario sprechen. Es ist nichts mehr rückgängig zu machen. Wir können nichts daran ändern. Sie sind alle verschwunden, und wenn wir jetzt versagen, werden noch mehr sterben müssen.«
    Schweigen brach aus, und Musso bereute, dass er sich nicht zurückgehalten hatte. Sein Mangel an Takt war es,
der verhindert hatte, dass er in die obersten Kommandoränge aufgestiegen war. Dieses Handicap hätte sehr wahrscheinlich in nicht allzu ferner Zukunft eine voreilige Versetzung in den Ruhestand eingebracht. Schließlich ergriff General Jones aus Brüssel das Wort.
    »Gut gesagt, Tusk. Die ganze Welt hat einen schweren Schlag auf den Kopf erhalten und fragt sich nun, was passiert ist. Aber das wird sich innerhalb der nächsten ein bis zwei Tage ändern. Und dann geht es drunter und drüber, darauf können Sie Gift nehmen.«
    »Meine Herren, darf ich?«
    Zu viel Testosteron war bereits im Spiel. Der Klang einer weiblichen Stimme schien die Dinge wieder zu beruhigen. Lieutenant Colonel Pileggi lächelte Musso aus dem Monitor heraus an, und alle anderen auch.
    »Wir alle haben einen Eid auf die Verfassung der Vereinigten Staaten geschworen. Was für eine Katastrophe das auch ist, die über uns gekommen ist, dieser Eid und auch die Verfassung gelten noch immer. Auch weiterhin gibt es Millionen amerikanischer Staatsbürger. Einige von ihnen zu Hause, im nicht betroffenen Nordwesten. Die meisten sind verstreut über den ganzen Erdball. Ich weiß die genauen Zahlen nicht, aber es müssen wohl vier oder fünf Millionen Amerikaner in Übersee sein. Es gibt noch Botschaften, Konsulate, Militärbasen und das Personal. Das ist der Staat, wenn Sie so wollen, die Regierung. Es ist die Regierung der Bürger. Wir sind diese Regierung nicht. Wenn wir handeln, müssen wir dies als Diener des amerikanischen Volkes tun, egal wie wenige es sind und wie weit voneinander verstreut sie existieren.«
    Pileggi hatte dies mit kontrolliertem Pathos vorgetragen. Niemand antwortete darauf, bis Tommy Franks’ breiter Oklahoma-Akzent aus den Lautsprechern schallte.
    »Geschenkt, Colonel, wir können uns doch keinen Präsidenten aus dem Hut zaubern. Aber wir müssen sofort
handeln und verdammt schnell. Hier bei mir in der Wüste warten eine Viertelmillion Männer und Frauen auf ihre Befehle. Saddam sehnt sich nach unserem Angriff, damit er seine klapprigen Waffen auf uns abfeuern kann. Um mich herum gibt es Millionen potenzieller Feinde. In Israel sitzen sie auf ihren Atombomben. Und hinter allem lauert dieses Arschloch Bin Laden. Irgendwann muss ich mich entscheiden, ob ich aus dieser Scheißsituation heraus losschlage oder wieder abziehe. Beides ist der reine Wahnsinn. Sie haben natürlich Recht. Das liegt nicht in meiner Entscheidungsbefugnis. Aber irgendjemand muss hier entscheiden, und ich wüsste nicht, wer das sein

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