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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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keine Maßregelungen von höherer Stelle, weil er einen Offizier des Feindes in das Allerheiligste des US-Stützpunktes gelassen hatte, um eine der neuesten technischen Errungenschaften des Militärs im Einsatz zu sehen. Zwar hatte es einige ruhig, aber bestimmt vorgetragene Einsprüche von älteren Offizieren gegeben, einem Oberst der Military Police und einem Major der Fernmeldetruppe, aber die beiden waren überstimmt worden.
    »Leer«, stellte Núñez fest. »Vollkommen leer.«
    »Verdammt«, flüsterte Stavros erneut. Ein einzelner Schweißtropfen rann ihm über die Stirn, obwohl es hier in diesem bläulich erleuchteten Raum dreißig Meter unter der Erde fast so kalt war wie in einem Kühlschrank. Der säuerliche, strenge Geruch von Angstschweiß lag in der Luft. Auf dem Plasmabildschirm vor ihnen sahen sie Bilder
von Holguín, einer Stadt, in der knapp 300 000 Menschen gewohnt hatten. Sie lag ungefähr hundert Kilometer weiter nördlich und damit innerhalb der Reichweite der Drohne. Aber Musso wollte den unbemannten Kundschafter noch weiter über kubanisches Gelände fliegen lassen. Er sollte im feindlichen Gebiet nach unten sinken. Oder was bis vor kurzem noch feindliches Gebiet gewesen war. Musso fand inzwischen den Begriff Niemandsland angebrachter. Und zutreffender.
    Der Techniker, der die Drohne lenkte, hatte die Flughöhe jetzt auf dreihundert Meter gesenkt, eine Höhe, in der die Kameras problemlos auch kleinere Details am Boden ausmachen konnten. Sie flog jetzt so tief und dicht am Boden, dass die Bilder in Echtzeit nur noch verzerrt wahrgenommen werden konnten. Musso und die anderen Offiziere schauten sich deshalb die Aufnahmen auf anderen Monitoren in Zeitlupe an. Ein Bildschirm zeigte den Calixto Garcia Park im Stadtzentrum. Auf einem anderen war die Bucanero-Brauerei zu sehen, ein Joint-Venture-Unternehmen mit der kanadischen Brauerei Labatt. Es brannte, aber niemand bekämpfte das Feuer. Auf einigen Monitoren sah man hübsche, aber marode spanische Kolonialhäuser, die direkt neben hässlichen Häuserblöcken aus Beton standen, in denen sich Wohnungen und Warenhäuser befanden. Gewundene Straßen führten auf gepflasterte Plätze und durch Stadtteile, die überraschend üppig waren und in denen sich Museen, Galerien und Bibliotheken befanden.
    Aber nirgendwo war eine Menschenseele zu sehen.
    »Wissen Sie, was ich auch vermisse?«, sagte Musso. »Hunde. Oder Vögel. Tiere überhaupt.«
    »Verdammt«, stimmte Stavros zu. »Sie haben Recht.«
    Im Gegensatz zu den Satellitenbildern der europäischen und asiatischen Nachrichtensender waren die Aufnahmen der Drohne echte Liveaufnahmen. Und obwohl die Straßen
von Holquín ein nicht annähernd so dichtes Verkehrsaufkommen hatten wie die in nordamerikanischen Städten vergleichbarer Größe, sah man hier doch die Wracks von Hunderten von Autos. Viele davon brannten, und ganz offensichtlich waren allen zum gleichen Zeitpunkt die Fahrer abhandengekommen. Dichte Rauchschwaden lagen über der Stadt und wurden nur ganz leicht von einer sanften Brise bewegt.
    »General Musso, Sir?«
    »Ja, was gibt es?«, fragte Musso, ohne den Blick von den unheimlichen Bildern abzuwenden.
    »Ich habe hier ein Gespräch über einen PACOM-Kanal für Sie.«
    Musso ließ sich einen Kopfhörer mit Mikrofon geben, zog ihn über den Kopf und ging in eine Ecke.
    »Hier ist Musso«, meldete er sich.
    »General«, hörte er eine Stimme mit Neuengland-Akzent sprechen. »Hier ist Admiral James Ritchie. Freut mich, dass Sie noch bei uns sind. So wie es aussieht, sind Sie direkt in der Nähe dieses … Phänomens.«
    »Ziemlich dicht dran, Sir. Es hat sich ungefähr siebzig Kilometer von uns entfernt festgesetzt. Entschuldigen Sie bitte, Admiral, aber haben Sie Informationen über die Situation auf dem Festland? Wir können hier nur Nachrichten von Kanälen aus Europa und Asien empfangen.«
    »Nein«, sagt Ritchie. »In dieser Hinsicht geht es uns auch nicht besser. Einige meiner Leute haben es geschafft, den Keyhole-Satelliten über Havanna anzuzapfen. Über den habe ich sie jetzt erreicht, aber wir haben bis jetzt keine Nachricht aus den Staaten. Ich fürchte, wir werden heute wohl auch keinen Blick dort hineinwerfen können, oder was meinen Sie?«
    Musso schüttelte den Kopf und musste den Kopfhörer festhalten. Sie waren zu klein für seinen Kopf und rutschten immer wieder herunter.

    »Nein, Sir. Was immer das für ein Ding ist, es hat eindeutig einen zerstörerischen Effekt auf

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